Volltext: Braunauer Kalender 1871 (1871)

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fragte er mit unterdrückter, zitternder Stimme. — „Wie dn's nehmen 
willst" Werte sie, „aber ohne das Rof'l komm' mir nicht mehr 
vor die Augen!" 
®a Wen dem Hans ber Boden und die Stubendecke zu wanken, 
Fieberfrost schüttelte seine Glieder, unb mit einem gräßlich herausge- 
sioßenen: „So helf' mir Gott!" stürzte er zur Thür hinaus, unb ver« 
schwand m schaurigen Dunkel ber stürmischen Herbstnacht. — Die 
leichtfertige Leni ftanb aber halb erstaunt, halb Iachenb ba unb meinte: 
„Sa schaut s ihn an, ben trutzigen Sueben, ba rennt er hin, als 
wollt er schnurgrab ins Wasfer springen, unb Morgen kommt er wie¬ 
der unb ist so fein unb zahm, wie a Lampl; so stnb sie alle die Män¬ 
ner, aber ber verbient's schon gar nicht, daß ich ihn so gern hab'!" 
Mit bteseit Worten stellte sie bas Spinnrad bei Seite, unb eilte, ein 
*tebi triQernb, unbekümmert in ihre Schlafkammer hinauf — sie bachte 
tm Traume nicht baran, baß sie ben Hans nicht mehr sehen sollte! — 
Eine pechschwarze, grausig wilbe Nacht war hereingebrochen; ber 
tMurmtmnb heulte brausen unb rüttelte an ben Häusern, als wollte 
Ci sie von Grunb ans vertragen, — 
,. Die Leni wälzte sich unter beängftigenben Träumen in ihrem Bette 
>,m unb her; schreckliche Silber zogen an ihrer schnlbbewußten Seele 
vorüber, unb zeigten ihr in schwärzester Farbe bie Folgen ihres un« 
verantwortlichen Muthwillens ; sie sah ben Haus, wie er bis zum Tode 
"schöpft mit der letzten verzweifelten Anstrengung sich Bahn zu bre¬ 
chen juchte durch das fürchterliche Schneegestöber, bas ihn zu begraben 
• C0W 5 dann erschien ihr roieber in loäenbem Schimmer mitten im 
1 eschneiten Alpenfelde das wunderbare Gärtl mit seinen tausend und 
tausend purpurnen Röslein, und mitten b’rein ber Hans, sanft fchlutn 
mernb auf grüner Moosbecke, unb ein hohes Königspaar mit funkeln- 
icn Kronen neigte sich über ihn, und legte einen Kranz ber schönsten 
Uofen auf feine Stirn, mährend bunt gefiederte Böielein aus blu- 
hcnben Büschen gar schöne seltsame Sieblein pfiff-». Balb verschwand 
aber das liebliche Bild, schwarzes Gewölk zog sich zusammen, Grab- 
sikläute klang an ihr Ohr, unb ein Leichenzug wallte vorüber, — der 
Hans im Sterbekleibe, bleich, mit gebrochenem Blick trat vor sie hin 
unb reichte ihr ein Rösl, aus dem die hellen Blntstropsen hertzorran- 
nett: „Leni!" sagte er mit leiser, hohler ©;imme, „ba ist das Nös'l, 
unb auf die nächste Faßnacht hol’ ich dich ab, bie Brauikammer steht 
schon bereit!'— eine kalte Hanb ergriff sie — sie schrie laut auf im 
?5raum, unb erwachte — es war heile geworben in ber Kemenate, 
der Mond schaute herab burch zerrissene Wolken, unb beschien den rie¬ 
sigen Schiern, ber feine gewaltigen Zacken bräuenb und gespenstig em¬ 
por reckte, unb ein heftiger Windstoß hatte bas Fenster aufgerissen, 
baß ber eisige Nachthauch hereinströmmte auf bas Bett bei Dirne, unb 
ihre Glieder durchrieselte rote Todeshauch! — 
Leni konnte nicht mehr einschlafen ; die Bilder verfolgten sie burch- 
ben ganzen Rest bet Nacht, unb mit banger Erwartung sah sie dem 
Einbruch bei Tages entgegen — ihr Muthwillen war wie Weggezaubert I — 
Der Morgen erschien, der Miltag und der Abend ‘auch — der 
Merhans aber nicht. Leni hätte wohl einen Finger aus der Hand
	        
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