Volltext: Der Sammler 6. Jahrg. 1910 (1910)

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folgte den begeisterten Worten, Da diese Aus 
führung von lebhaftestem Interesse für Schär 
ding ist, so folgt dieselbe im Wortlaute, 
Die Versammlung hat zur erfolgten An 
regung in der Weise Stellung genommen, 
daß dieselbe die ausgeführten Gedanken be 
grüßte und den Musealvereinsausschuß beauf 
tragte, des weiteren schlüssig zu werden, in 
welcher Weise an eine erfolgreiche Verwirklich 
ung desselben geschritten werden könnte. 
Die Zuschrift hat folgenden Wortlaut: 
Ein D e n i s d e n k m a l in Schärding. 
Am 29. September 1910 jährt sich zum 
Hundertzehntenmale der Tag, an welchem Schär 
dings größter Sohn, der Dichter und Biblio 
graph Michael D e n i s , starb. 
Der „österreichische Klopstock", das liebens 
würdigste und größte Talent in der großen 
Schar österreichischer Lyriker aus der theresiani- 
scheu und josephinischen Zeit, dessen Barden 
gesänge heute freilich nur mehr literaturhisto 
risches Interesse haben, hat das unbestreitbare 
und nicht hoch genug anzurechnende Verdienst, 
die damals herrschende Sprachenoerwilderung 
eingedämmt und durch seine Dichtungen die 
deutsche Schriftsprache verfeinert und veredelt 
zu haben. Daß den Oesterreichern die Bekannt 
schaft der neueren deutschen Literatur ermöglicht 
wurde, hat man ihm- zu danken. Was. im 
großen deutschen Dichtermalde sang und jubi 
lierte, war im rückständigen, verzopften Jnner- 
österreich der vorjosephinischen Zeit angehört 
geblieben. 
Ein Schärdinger war es, welcher das 
Singen und Sagen der neueren Dichter Deutsch 
lands sammelte und seinen Landsleuten, seinen 
Schülern mitteilte. Er spann ein geistiges Band 
in die freieren Zonen des deutschen Dichter 
lebens und war der Erste, welcher den Ge 
dankenaustausch mit den Bruderstämmen jenseits 
der österreichischen Grenzpfähle möglich machte. 
Heute fehlt uns der richtige Maßstab, um die 
Geistestat dieses Mannes ganz würdigen zu 
können ; das Reich der Künste kennt keine starren 
Grenzmauern mehr, Länder und Völker tauschen 
ihre geistigen Güter und suchen in edlem Wett 
streite menschenbeglückende Ideen. 
Die zwei „österreichischesten" Dichter, Grill 
parzer und Rosegger, gehören heute nicht mehr 
uns allein, sie sind Gemeingut der gesamten 
deutschen Nation, der ganzen gesitteten Mensch 
heit geworden. Daß es so werden konnte, ist 
ein Verdienst des Barden Sined, wie sich Denis 
nannte. 
Der Dichter und Literaturlehrer war aber 
aber auch ein Gelehrter von bedeutendem Rufe, 
seine Arbeiten auf bibliographischem Gebiete 
sind heute noch geschätzte Dokumente eines zu 
verlässigen Forschungseifers. 
Die Gegenwart hat trotz der nervenzer- 
störeuden Hast des Lebenskampfes ein reges 
Dankgefühl für die großen Menschen ver 
sunkener Geschlechter. Viele Orte, in denen die 
Wiege eines Talentes stand, ehren dasselbe und 
suchen durch Errichtung eines sichtbaren Merk- 
inales den Dank abzustatten, welchen oft die 
kurzsichtige Mitwelt ihren Großen versagte. Auch 
die Stadt Schärding ehrte ihren Sohn und sich 
selbst als sie am Geburtshause des Dichters und 
Gelehrten eine Erinnerungstafel anbringen ließ 
und die Straße, in welcher sein Vaterhaus steht, 
nach -ihm benannte. 
Und doch scheint es mir nicht eine über 
triebene Pietät zu sein, ivenn ich mein Wort er 
hebe für die Errichtung eines Denkmales aus 
Erz und Stein für Sined den Barden. Denn 
auch die Gegenwart hat ihre Pflichten, hat zu 
danken, wie es die Väter taten, als sie die Er 
innerungstafel stifteten. 
Dort, wo sich der Stadtplatz in der Richt 
ung gegen die Denisgasse zu einem zweiten 
stimmungsvollen Platze weitet, umgeben von 
Blumenrabatten müßte das Standbild des Oden 
dichters stehen, der vor 170 Jahren als Kind 
auf diesem Platze sich herumtummelte. 
Wenn wir 26 Jahre sammeln und sparen, 
so wird der Schärdinger Gemeinsinn und Lokal- 
patriotismus wieder, wie so oft schon, den Be 
weis erbracht haben, daß in den Mauern des 
Innviertler Stadtjuwels ein Menschenschlag 
wohnt, der Verstand und Gefühl besitzt, die 
Taten großer Männer würdigen zu können. 
Zwanzig Jahre liegen vor uns, nützen wir 
sie, scharen wir uns zusammen und nur 27. Sep 
tember 1929 — a m 2 0 0. Geburtstag 
unseres edlen Landsmannes — wird ein Denk 
mal uns grüßen und nachfolgenden Geschlechtern 
künden, daß ein großer Geist hier Mensch ge 
worden ist. 
Eine kleine Auswahl seiner dichterischen 
Werke müßte ihn uns auch menschlich wieder 
näher bringen. 
Möge mein Gedanke aus fruchtbaren Boden 
fallen, damit ein neues Reis keimt und grünt 
für den Ehrenkranz unserer heißgeliebten Stadt. 
Wien, Ende Februar 1910. 
Carl ©ruber. 
Eingabe des IDusealveretnes an die Stadt- 
gemeinde Schärding und an die k. k. Zen- 
tralkommission in ülien. 
Im folgenden lassen wir die beiden vom 
Musealverein beschlossenen Eingaben an die 
Stadtgemeinde und an die k. k. Zentralkom 
mission für Erhaltung der Kunst- und histor-
	        
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