Volltext: Der Sammler 6. Jahrg. 1910 (1910)

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auch seine Umgebung ausgesetzt ist. So haben wir 
denn z. B. nicht nur einen Segen für ein glück 
liches Ende, wir haben Schutzgebete gegen Wetter 
schäden und auch auf das Vieh wurde die gleiche 
Nutzanwendung gezogen. 
Wer sich mit der Erklärung all dieser ver 
schiedenartigen Dinge befaßt, dem erschließt sich 
nach und nach eine eigentümliche Welt von Vor 
stellungen, von denen die Altvorderen befangen 
waren. Sie mögen in ihrem Vertrauen, das alle 
zeit stark untermischt vom Aberglauben war, zu 
frieden gewesen sein, — die Grundlage zur richtigen 
Erkenntnis und Beurteilung dessen, was um sie 
her vorging, ist aber der großen Menschenmasse 
nicht eigen gewesen, das lehren uns diese Reliquien 
zur Genüge. 
Für die Forschung auf dem Gebiete der 
Heimatkunde sind solche Rückschlüsse scheinbar 
weniger gegenständlich, und doch trägt deren Zu 
sammenschluß am Ende auch zur Darstellung 
eines gesamten Kulturbildes einer Zeitepoche wesent 
lich bei. Die Erreichung dieses Zieles bedingt 
die eifrigste und sorgfältigste Durcharbeitung jedes 
einschlägigen Gegenstandes, um zu einer richtigen 
Erkenntnis dessen Wertes und Gebrauches zu gelangen. 
Wir begegnen auf diesem Gebiete der Heimat 
forschung zwei äußerst wertvollen Abhandlungen, deren 
eine aus dem Jahre 1905 den verdienstvollen Kuraten 
Frank in Kaufbeuren zum Verfasser hat, während 
das zweite Werk, erschienen 1910 zu Braunschweig - 
verfaßt von Frau Andree-Eysn-München — Volks 
kundliches aus dem bayerisch-österreichischen Alpen 
gebiete zum Gegenstände hat. 
Kurat Frank beschreibt Kreuze, Medaillen 
und Amulette in einem Sonderhefte zu den 
„Deutsche Gaue". Unter Beibringung einer ganzen 
Reihe von instruktiven Zeichnungen, nennt er dieses 
Werk einen Wink zur Beurteilung und Samm 
lung solcher Gegenstände. 
Um sogleich einen Begriff von der Viel 
seitigkeit dieser Darstellungen zu bekommen, seien 
die einzelnen Kapitel mit ihrem Bezeichnungs» 
worte genannt: 
Ülrichskreuze, Scheyrer Kreuze, Glückseliges 
Hauskreuz, die lieben Hauspatrone, Benediktus- 
kreuz, Benediktus-Medaille, Zachariaskreuz und 
-Medaille, Kombinierte Benediktus- und Zacharias 
segen, Gottesnamen - Kreuze, Schutzzettel, Schutz 
blätter, Längen Christi und Maria, Schutzbrieflein, 
Geistige Hausapotheke gegen alle Uebel, Truden 
kreuze, Trudensteine usw. 
Frau Andree-Eysn bringt in ihrem volks 
kundlichen Werke, das wie erwähnt das bayerisch 
österreichische Alpengebiet, also unser ureigenstes 
Gebiet behandelt, 226 prachtvolle Abbildungen, die 
natürlich zum Verständnisse des Dargestellten 
außerordentlich beitragen. 
Es kann die Anführung des Werkes an 
dieser Stelle unmöglich als eine Besprechung des 
selben gelten, dazu fühlen wir uns viel zu wenig 
berufen. 
Im Zusammenschlüsse mit der Darstellung, 
die wir bringen wollen, steht aber dieses Werk, 
daher wir uns darauf beziehen müssen. Ein 
zelne Kapitel desselben erscheinen für unsere volks 
kundliche Sammlung so verwandt und gegenständ 
lich, als ob selbe aus deren Mitte hervorgegangen 
wären. Die Kapitel „Nachklänge der Pestzeit", 
„Das Tau" und die „Pestamulette", „Schutz 
mittel für Haus und Hof" und „Amulette" bringen 
uns reichlichen Stoff, und wenn wir hiebei noch 
erwähnen, daß die Kupferplatte unseres Museums, 
mit den Schluck- oder Eßgebeten, auch Lukaszettel 
genannt, im Bilde in diesem Werke erscheint, so 
ist damit schon dargetan, daß auch unsere an Zahl 
nicht große volkskundliche Abteilung Anwert an 
bester Stelle gefunden hat. Solchergestalt ist es 
daher nicht unzweckmäßig, wenn wir daran gehen, 
die Einzelnsachen, die im Sammelschranke des 
Museums liegen, vorzunehmen, und an Hand der 
obenangeführten ausgezeichneten Behelfe einer ge 
nauen Beschreibung und Erklärung zuzuführen. 
Es mag schon bei Beginn dieser Besprechung 
mit Befriedigung darauf hingewiesen werden, daß 
unsere Sammlung von sden allermeisten in dem 
vorerwähnten Werken angeführten Gegenständen 
einen Repräsentanten enthält; ja noch mehr, ein 
zelne Stücke sind gewiß als besondere Seltenheit 
zu betrachten. 
Wir wollen der Reihe nach diesen merkwür 
digen Dingen unsere Aufmerksamkeit zuwenden. 
Es kann auch gesagt werden, daß unserer 
Sammlung von allem Anfange an ein günstiger 
Stern auch in dieser Richtung geleuchtet hat. 
Schon Nr. 30 des Kataloges bringt ein gar 
merkwürdig Ding. Eine runde Scheibe mit allerlei 
kleinen Gegenständen nach Art der Reliquien auf 
geklebt, unter Glas, in einer tellerförmigen An 
ordnung ; das Ganze in eine Messingumrahmung 
eingespannt. Eingeschrieben wurde der Gegenstand 
damals als Reliquiarium, gespendet von Herrn 
Max W e i g l e i n, Schärding. Das Stück 
stammt von Vorgängern der alten Schärdinger 
Bürgerfamilie Burger. Dieses Reliquiar ist ein 
„W e t t e r s e g e n", ein Wettersegen aller 
schönster Art. Frau Andree-Eysn bringt auf 
Seite 104 und 105 die Vor- und Rückseite eines 
solchen Wettersegens, aus dem wir mit Bestimmt 
heit die Bedeutung unseres Stückes Nr. 30 er 
kennen. Bevor wir in der Einzelheit diesen 
Wettersegen beschreiben, sei noch bemerkt, daß das 
dem städtischen Museum gehörige Stück sich durch 
eine 3 Zentimeter breite Messingumrahmung aus 
zeichnet, die eine sehr schöne Hämmerung (Verzier 
ung) aufweist, die der zweiten Hälfte des 17. Jahr 
hunderts angehört. Es dürfte wohl selten ein 
Wettersegen in so schöner Fassung angetroffen 
werden. 
Ueber die Entstehung und Bedeutung der 
Wettersegen schreibt Frau Andree-Eysn: 
„Man war überzeugt, die Gewitter kamen 
von den Hexen, die den Menschen schaden wollen.
	        
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