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Flüsse und Bäche im obernberger Burgfrieden sind:
L Der In '), lateinisch Oenus, entspringt am südlichen Ab¬
hange des Septimer im schweizer Canton Graubünden, dein so¬
genannten Ober-Engadin, in einer Meereshöhe von 6000—7000
Fuss, fliesst durch den kleinen Lunginer-See in’s Malojer-Thal
und fällt bei Sils in die Silser-See. Durch Gebirgswässer ver¬
stärkt, strömt er in nordöstlicher Richtung durch das engadiner
Thal und tritt nach einem 12 Meilen langen Laufe in Tirol ein.
Nachdem er das Wasser von mehr als 66 Gletschern aufgenom¬
men und bei Hall schiffbar geworden, verlässt er Tirol unter
Kufstein und wälzt seine hellgrünen Fluten in die Ebenen
Baieins und scheidet dieses von der Mündung der Salzach an
von Oesterreich. Nach einem Laufe von 62 Meilen, von denen
41 floss- und schiffbar sind, stürzt der In bei Passau in die
Donau. Lange ringen seine hellgrünen Fluten noch mit den
dunkelgrünen der Donau, dass sie noch eine Meile Weges von
ihrem Zusammenflüsse an ans einander zu erkennen sind.
Bei Insbruck sinkt das Gefälle des In auf 1700 Fuss, bei
Passau bereits auf 932 Fuss ober dem Meere. Bei seiner Mün¬
dung trägt der In eine Ladung von 800 bis 900 Centn er, ist
nahezu 700 Fuss breit, während die Donau nur 600 Fuss, er
ist desshalb der Hauptstrom des ganzen Donaugebietes. Schon
zur Zeit der Römer, welche die Wichtigkeit dieses Stromes
nicht verkannten, schied der In zwei Provinzen:. Norikum und
Vindclicien. Dass der In schon damals als Handelsstrasse von
grosser Wichtigkeit war und im Mittelalter besonders die Ver¬
frachtung von halleiner Salz lebhaft betrieben wurde, haben wir
bereits angeführt. Die Bedeutung des In als Wasserstrasse
insbesonders für Obernberg werden wir in dem Abschnitte
hervorheben, in welchem von der Nauflezerinnung die Rede
sein wird.
Der In führte einst Perlen, Gold und Silber in seinen
Wellen. Noch im zwölften Jahrhunderte gab es in der Um¬
gebung eine nicht unbedeutende Zal von Familien, welche sich
mit Goldwäschen ihren Unterhalt verdienten. Erzbischof Konrad
von Salzburg wies 1135 und 1140 mehrere Zinsleute des Hoch¬
stiftes zwischen dem Ilönhart, Hausruck und In, sowie auch
') Heber die Schreibweise In vgl. I. S. 3.