Fast jeder der am Weltkrieg beteiligten Staaten hat in der
Zwischenzeit Dokumente erscheinen lassen über den Ursprung des
Krieges. Jeder sucht durch Zusammenstellung von allerlei Beweis¬
stücken die Verantwortung für den Ursprung des Krieges dem
Gegner zuzuschieben. Für den Historiker späterer Zeiten werden
diese Weißbücher und Gelbbücher, und wie sie alle genannt seien,
ihren wenn auch bedingten Wert haben. Lelfferich hat auf
Grund einer Vergleichung dieser Dokumente das Wort von
Rußland als dem Brandstifter dieses Krieges geprägt. Aber
der Volksinstinkt, jene unwägbare Seelenstimmung des Volkes,
von der Bismarck einst sprach, hat längst erkannt, daß es sich
in diesem Weltkrieg nicht handelt um die Mordtat in Serajewo
und deren Sühnung, nicht handelt in erster Linie um russischen
Expansionsdrang oder französische Revanchelust, sondern daß es
den Kampf gilt zwischen England und Deutschland, einen Kampf
um Leben und Tod, einen Kampf um Größe oder um Unter¬
gang, nicht herausgeboren aus völkischen und politischen Gegen¬
sätzen der Nationen, nicht herausgeboren aus dem Gefühl, emp¬
fangene Niederlage auf dem Schlachtfeld zu sühnen, sondern um
einen Kampf, herausgeboren aus wirtschaftlichen Beweggründen,
der als der gigantischste Wirtschafts kämpf aller Zeiten dastehen
wird und der im deutschen Volk lodernden Zorn mit vollem Recht
deshalb ausgelöst hat, weil seine Motive letzten Endes in der aus
dem Äochmutsgefühl der Weltherrschaftsbestimmung entspringen¬
den Erregung gegen einen unbequemen Wettbewerber und in einem
schrankenlosen Erwerbsdrang liegen. Das deutsche Gefühl, das
seit Scharnhorsts Zeiten in dem Grundsatz der allgemeinen Wehr¬
pflicht seine höchste Ehre sieht, wendet sich mit Verachtung hinweg
von einem Land, das mit Söldnern seine Kriege führt, die alte
Traumjörgnatur des Deutschen fühlt sich abgestoßen von der kühlen,
rechnerischen Natur eines englischen Ministers, der davon spricht,
daß dieser Kampf geführt werden muß bis zur letzten silbernen
Kugel. Der Gegensatz Rom-Karthago steigt im 20. Jahrhundert
erneut auf, und die Welt hält den Atem an, um zu sehen, wer in
diesem Ringen Sieger bleiben wird.
Mit dieser Stimmung des deutschen Volkes gegen England
sind vor allem die weitesten Kreise der Industrie und des Handels
einig. Als die Nachricht von der Niederlage Englands bei St. Quen-
tin an der Börse zu Hamburg bekannt wurde, da spielten sich dort
Szenen eines Freudenausbruches ab, die man dem korrekt steifen
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