Kräften zunächst überhaupt abgesehen werden. Die
„Stützpunkte" waren Holzkästen, deren feindwärts ge¬
kehrte Wände man mit Erde und Rasenziegeln „mas¬
kierte" und die man mit füllkugelsicheren Decken ver¬
sah, Nachdem diese Stützpunkte eine Reihe regelmäßi¬
ger Schießscharten aufwiesen, also wie etwas niedrig
geratene mittelalterliche Bastionen aussahen, brauchte
man nicht einmal ein Fernglas, um sie auf viele Kilo¬
meter Entfernung auszunehmen.
Wie wenig solcher Stützpunkte aber gab es über¬
haupt! Sie entstanden dort, wo das Gelände keinerlei
natürliche Deckung bot. Breite Täler, wie die Val Lu-
gana, mußten unbesetzt und unbefestigt bleiben, weil
es an Kräften fehlte. Man verließ sich darauf, daß die
Feuerwirkung aus den umliegenden Höhenstellungen aus¬
reichen würde, um ein Vorrücken des Feindes zu ver¬
hindern.
Nicht viel besser stand es mit den permanenten Be¬
festigungen, den Sperrforts und Werk-Linien. Die mei¬
sten von ihnen waren so veraltet, daß sie für ihre Be¬
satzungen mehr Gefahr als Schutz darstellten. Außer
den Werken am Tonalepaß und der Sperre Lavarone—
Folgaria gab es nur hochaufgezogene Steinbauten mit
unmodernen Geschützen und schwacher Panzerung, die
man als Scheiben für die italienische Artillerie bestehen
ließ. Sie wurden zum Großteil gleich in den ersten
Kriegstagen geräumt und ihre Rohre durch Baumstämme
ersetzt.
Jetzt, da der Krieg kaum mehr zweifelhaft ist, legt
man die letzte Hand an diese „Linie". Die Waldmasken
rings um die Werke verschwinden, Almhütten und an¬
dere Bauten im Vorfeld werden gesprengt. Um die ver¬
schiedenen Vorfelder wirklich freizulegen, wären um¬
fangreiche Schlägerungen nötig gewesen. Auch dazu fehlt
es an Kräften. Es gelingt zur Not, da und dort den
Wald zu lichten. Die gefällten Stämme bleiben liegen.
Der Feind verwendet sie später zu seinen Zwecken.
Niederdrückend für jeden Wissenden aber ist der
Mangel an Streitkräften. Die Alpenländer bieten alles
auf, was noch ein Gewehr tragen kann. Halbe Kinder
und Greise dienen unter den 30.000 Tiroler Stand-
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