Volltext: Das Bild als Waffe

Ausführung oft ungeschickt und in der Idee meist nicht sehr geistvoll. Wie 
weit sein brutaler und zynischer Haß gehen kann, beweist ein buntes, 
doppelseitiges Bild aus der Sondernummer «Kamelotland« der BAION- 
NETTE vom 8. Juni 1916. Unter der Beischrift «Apres la guerre la 
misere . . . Gare a la camelote humaine! ...» stellt Zislin ein gefiedertes 
schwarzes Gespenst dar, das eine Schar halbverhungerter und rachitisch 
verkrüppelter deutscher Kinder über das Land treibt. Es dürfte dies eine 
der widerlichsten Verspottungen der Aushungerung deutscher Kinder sein, 
die von der französischen Bildpropaganda je hervorgebracht wurden. 
Zislin bestätigte sich auch auf dem Gebiet der Buchillustration 207 und 
gab Alben heraus 208. 
Im Anfang der Bildpropaganda steht im Kriege die Greuel-, 
hetze; sie ist eines ihrer wesentlichsten Elemente. Man kann zwischen 
einer populären, mit den gröbsten Mitteln realistischer Darstellung arbei¬ 
tenden und einer künstlerisch verfeinerten Greuelpropaganda unter¬ 
scheiden. Beide Kategorien haben in Frankreich Vertreter gefun¬ 
den, die sich auf sie spezialisierten. So illustrierte J ean-Gabriel 
Domergue im Livre Rouge 209 die in den amtlichen «Rapports» ent¬ 
haltenen Greuelmeldungen auf eine teilweise geradezu widerlich reali¬ 
stische Art. G. d ’ O s t o y a , dem durch Reimann der geistige Diebstahl 
nachgewiesen wurde 21°, schuf ein ähnliches «Livre des atrocites alle- 
mandes»211 und Bilderalben mit Greueldarstellungen212. Die „nach 
Dokumenten“ hergestellten Bilder angeblicher deutscher Schandtaten 
in Frankreich und Belgien von E. T a p sind bekannt. Louis 
Morin 213, ein Freud Leandres, erhebt sich in seinen Radierungen, die 
in Serien unter den Titeln «Les ohevauchees de la Valkyrie» und «L’imbecile 
cruaute» vom Verlag G. Boutitie herausgegeben wurden, etwas über das 
Niveau der Vorgenannten. Seine Bildsatiren über den «docteur Boche» 
greifen die deutsche Wissenschaft an und schildern ihren Kampf gegen 
den französischen Esprit. 
Eine größere Bedeutung als Propagandist erlangte der Montmartre¬ 
künstler Maurice Neumont, der vorwiegend für das JOURNAL 
zeichnete. Eine der ersten Hetzzeichnungen des Weltkrieges stammt von 
ihm: das Blatt «Les assassins» 214, das seinem Freunde Hansi gewidmet 
ist. Es stellt den Kaiser Wilhelm und Franz-Joseph als maskierte Räuber 
mit langen Messern vor dem Schatten des Reichsadlers dar, unter ihren 
Füßen zerrissene Papiere mit den Aufschriften: Rechte der neutralen Län¬ 
der, Ehrenwort, Völkerecht ... Wie Neumont selbst erzählt, verkauften 
die Straßenhändler das Blatt schon am 12. August 1914 zu billigen 
Preisen215. Zur selben Zeit erschien im gleichen Verlag ein Blatt 
«Bravoure allemande», das — Zislin gewidmet — die Einreihung Neu¬ 
monts unter die Greuelbildzeichner rechtfertigt. Ein deutscher Soldat 
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