deutsche, (darum pflegen wir im gewöhnlichen Leben einen bestimmten
Menschen zu lieben? Nun. sagen wir es ehrlich: meist aus recht ego¬
istischen Gründen, (denn er nämlich eine JInzahl von Eigenschaften
besitzt, die uns zugute kommen. Zum Beispiel: weil er ungewöhnlich
ehrlich und anständig ist. Oder weil er bescheiden und höflich ist.
Oder weil er gutmütig und naiv ist. Alle diese Eigenschaften hat
aber der Deutsche in extremem Maste. Man sollte also meinen, dast
er im dölkerverkehr ebenso beliebt ist, wie es ein Einzelmensch mit
solchen Dualitäten im Gesellschaftsleben wäre. 3a sogar das, was man
so landläufig und im übertragenen Sinne „Liebenswürdigkeit" nennt,
besitzt der Deutsche ebenfalls. Er verfügt freilich nicht über jene für
jedes feinere Empfinden verletzende Zuhälterfreundlichkeit, die einen
wenig beneidenswerten dorzug der romanischen Basse bildet, Uber
man wird schwerlich in irgendeinem Lande mehr herzliches Entgegen¬
kommen und verständnisvolles Wohlwollen vom einfachsten Arbeiter
bis hinauf zu den höchsten Behörden finden als in Deutschland, (der
seine Kenntnis der deutschen Zustände aus (ditzblättern schöpft, wird
natürlich darüber anderer Ansicht sein. Auch darf man selbstverständlich
ein dolk nicht nach seinen Redenden beurteilen. Der Reisende — sei
es nun der commis voyageur oder der sogenannte „Uergnügungs-
reisende" — ist eine Gestalt von internationaler Widerwärtigkeit. Er
ist ganz gleichmästig unerträglich, ob er aus Gumbinnen oder Loulouse,
aus Sachsen oder Andalusien kommt. Man denke doch nur einmal an
den typischen reisenden Engländer. Wollte man nur nach diesem die
englische Nation beurteilen, so müstte man zu dem Resultat gelangen,
dast sie vorwiegend aus Menschen besteht, die die Zmtze auf den Lisch
legen, Damen den Pfeifenrauch ins Gesicht blasen und fortwährend
spucken. Und dennoch wird niemand leugnen wollen, dast der Eng¬
länder — es mag mit seiner sonstigen Geistes- und Herzensbildung
noch so bedenklich stehen — einer der manierlichsten Menschen der
Welt ist.
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