Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

Epilog 
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Sache, daß den Militärgeistlichen der christlichen Konfessionen „Feld 
rabbiner“ zur Seite gestellt wurden, diese Anerkennung der Gleich 
wertigkeit der Juden vor dem Antlitz des Todes schien die Anerken 
nung ihrer Gleichwertigkeit auch im Leben zu gewährleisten. Bald 
nach der Veröffentlichung der bekannten patriotischen Kundgebungen 
der deutschen Professoren ließ auch der jüdische Professor Hermann 
Cohen zum Schutze des militarisierten deutschen Staates schweres 
philosophisches Geschütz auffahren und suchte in seinen Schriften 
über „Deutschtum und Judentum“ (1915—1916) zu beweisen, daß 
zwischen beiden Kulturen eine enge Verwandtschaft bestehe. Der auf 
seine Zugehörigkeit zur „Nation Kants“ stolze Philosoph wollte es 
nicht wahr haben, daß zwischen seinem Ideal und dem realen wil 
helminischen Deutschland ein Abgrund klaffte. Stießen doch die jü 
dischen Frontkämpfer selbst in den vordersten Schützengräben gar 
häufig auf den mehr oder weniger unverhohlenen Antisemitismus ihrer 
Vorgesetzten. Von diesen engstirnigen Vertretern der preußischen 
Offizierskaste eben ging die Forderung nach einer „Jüdenzählung“ 
aus, durch die der Nachweis erbracht werden sollte, daß die jüdische 
Bevölkerung ihre Blutpflicht nicht voll erfülle — eine Forderung, der 
die höchsten militärischen Stellen im Jahre 1916 bereitwillig nach 
kamen. Dies hatte auf viele Anbeter des Kriegsmolochs unter den deut 
schen „Israeliten“ eine ernüchternde Wirkung. 
Die russische Judenheit, deren Ansiedlungsrayon gleich nach Be 
ginn der Feindseligkeiten zum Kriegsschauplatz geworden war, hatte 
kaum Zeit gehabt, an den obligaten patriotischen Kundgebungen teil 
zunehmen, da das russische Hauptquartier gleichzeitig mit der Ein 
leitung der militärischen Operationen gegen Deutschland und Öster 
reich-Ungarn auch der friedlichen jüdischen Bevölkerung des Ope 
rationsgebietes den Krieg erklärte. Der Oberbefehlshaber der russi 
schen Streitmacht, der Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch, teilte die 
für alle Angehörigen des Hauses Romanow bezeichnenden Vorurteile 
gegen die Juden, während der Chef seines Generalstabs, der als Wort 
führer des reaktionären Landadels bekannte Januschkewitsch, bereits 
lange vor dem Kriege die Entfernung der Juden aus der Armee ge 
fordert hatte. In voller Übereinstimmung mit der großen Mehrheit 
der Generalität waren die beiden Heerführer im Vorhinein überzeugt, 
daß die ein dem Deutschen verwandtes Idiom sprechende jüdische 
Bevölkerung des Kriegsgebietes deutschfreundlich sei und darum eine
	        
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