Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

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Die jüdische Welt seit dem Ansbruch 
des Weltkrieges 
/. Der Weltkrieg und der Krieg gegen die Juden in Rußland 
(191U—1916) 
Das Unvermeidliche war geschehen. Viele Jahre hindurch häm 
merten die europäischen Regierungen den von ihnen geleiteten Völ 
kern ein, daß „Kriegsbereitschaft der beste Friedensschutz“ sei, um 
insgeheim den grauenvollsten aller Kriege vorzubereiten. Militaris 
mus und Imperialismus hatten aus Europa ein einziges Pulver 
magazin gemacht, das ein Funke: der österreichisch-serbische Kon 
flikt, in die Luft sprengen sollte. In den ersten Tagen des August 
1914 ließen fünf europäische Großmächte ihre Millionenheere auf 
marschieren, und es begann der Vernichtungskrieg, in den nach und 
nach alle fünf Erdteile hineingezogen wurden. In den vier Kriegs 
jahren stellte das jüdische Volk fast eine volle Million Frontsoldaten. 
Brüder kämpften gegen Brüder. Diese von dem zerstreuten Volke in 
einem solchen Ausmaß noch nie erlebte Tragödie ist in all ihrer Gräß 
lichkeit in der von Mund zu Mund gehenden Geschichte von einem 
jüdischen Soldaten verewigt, der den Verstand verlor, als er den To 
desschrei des von ihm niedergestochenen Angehörigen der Feindes 
macht vernahm: „Schema, Jisrael!“ („Höre, Israel!“) 
Die Mobilmachung in Deutschland war von einem Sturm patrio 
tischer Begeisterung begleitet, die Tausende und Abertausende dazu 
bewog, freiwillig zu den Fahnen zu eilen. Große Opferfreudigkeit 
zeigten hierbei auch die Juden. Die allgemeine Kriegspsychose trieb 
Männer aller Parteien und Stände in die Reihen der Armee: Assimi- 
lanten und Zionisten, brave Bürgersöhne und Sozialisten. Viele von 
ihnen gaben sich dem Glauben hin, daß es eine jüdische nationale Tat 
sei, gegen Rußland, das Land der Pogrome, zu kämpfen. Die den 
tapferen jüdischen Kriegern zuteil werdenden Auszeichnungen, das 
Eiserne Kreuz oder die Beförderung zu Offizieren, steigerten noch 
den überschwänglichen Patriotismus der deutschen Juden. Die Tat-
	        
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