Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIV. und XV. Jahrhundert 
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vogelfrei zu erklären und sie aus den elsässischen und rheinländi- 
schen Städten zu vertreiben. Die Judenhasser aus Straßburg beeilten 
sich darauf, von dem gefaßten Beschluß auch diejenigen Orte in Kennt 
nis zu setzen, die auf dem Delegiertentag nicht vertreten gewesen wa 
ren. In Straßburg selbst enthoben sie die drei menschenfreundlichen 
Mitglieder des Magistrats gewaltsam ihres Amtes und ersetzten sie 
durch zuverlässige Vertrauensmänner. Das Los der jüdischen Ge 
meinde war nunmehr besiegelt. Alle Juden, 2000 an der Zahl, wur 
den auf den jüdischen Friedhof getrieben und in einem Holzschup 
pen zusammengepfercht, an den von allen Seiten Feuer gelegt wurde. 
Die meisten fanden in den Flammen den Tod; nur wenige, die sich 
in ihrer Todesangst zur Taufe bereit erklärten, wurden aus dem bren 
nenden Scheiterhaufen herausgeholt (am T4- Februar). Der Besitz 
der Hingerichteten wurde unter den Bürgern verteilt, die eben um 
dieser Beute willen den „Judenbrand“ veranstaltet hatten. Ein deut 
scher Chronist jener Zeit bezeugt: „Darin gerade (in dem Wunsche, 
sich an jüdischem Besitz zu bereichern) bestand die Vergiftung, wel 
che die Juden tötete“, und ein anderer Chronist fügt noch hinzu: 
„Willst du wissen, was den Juden das Verderben brachte? Es war 
die Habgier der Christen“. Der neuerwählte Stadtrat traf die Ver 
fügung, daß den Juden für die Dauer von hundert Jahren der Aufent 
halt in Straßburg verwehrt bleiben sollte. 
Dem Beispiele Straßburgs folgten auch die anderen elsässischen 
Städte. In Colmar hat sich bis auf den heutigen Tag das sogenannte 
„Judenloch“ erhalten, wo die Juden zur Zeit des „Schwarzen Todes“ 
verbrannt worden sind. In Schlettstadt wurden die jüdischen Ein 
wohner zum Teil nieder gemacht, zum Teil vertrieben. In Benfeld ließ 
man sie in den Flammen sterben oder ertränkte sie im Sumpfe. In 
Mülhausen wurden alle Juden, soweit sie sich nicht durch Flucht 
gerettet hatten, hingeschlachtet. In Oberehnheim preßte man fünf 
Juden vor der Hinrichtung das Geständnis ab, daß sie eine Reihe von 
Brunnen vergiftet hätten, worüber der Stadtrat dann dem in Straß 
burg eingesetzten „Rate der vierzig Wahlmänner für Judensachen“, 
d. i. dem Ausschuß für die Liquidation des jüdischen Besitzes, speziell 
Bericht erstattete. In allen genannten Städten wurden die Synagogen 
als städtisches Eigentum erklärt, der Besitz der Umgekommenen und 
Vertriebenen wurde von den Behörden und den beutegierigen Stadt
	        
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