Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 37. Der „Heilige Krieg ‘ vom Jahre 1391 
Nachfolger Juan I. über diese gefährliche Verhetzung des Volkes. 
Die Könige versäumten denn auch nicht, Martinez die Aufpeitschung 
der Volksleidenschaften bei Strafe zu verbieten, doch kehrte sich 
der starrköpfige Fanatiker nicht im geringsten an die königlichen 
Ermahnungen und berief sich darauf, daß er durch die Bezichtigung 
der Ungläubigen nur seine christliche Pflicht erfülle. In derselben 
Weise ließ er sich vor dem Gericht von Sevilla vernehmen, von dem 
er auf die Beschwerde der jüdischen Gemeinde hin zur Verantwor 
tung gezogen wurde, wobei er keinen Anstand nahm, auch hier zu 
wiederholen, daß er die Zerstörung der Synagogen für ein gottge 
fälliges Werk halte (i388). Der willensschwache König Juan I. 
nahm in der ganzen Sache eine schwankende Haltung ein: einerseits 
rühmte er den Eifer des kirchlichen Hetzers, andererseits untersagte 
er jedoch, den Juden Gewalt anzutun; er wollte gleichsam sowohl 
den Hunger des Wolfes stillen, als auch die Schafe unversehrt er 
halten. Mit viel größerer Entschlossenheit handelte der Erzbischof 
Barroso: er enthob Martinez seines Amtes als Offizial und entzog ihm 
das Recht der Kirchenpredigt (1889). 
Bald sollten sich jedoch die Verhältnisse für den klerikalen Gift 
mischer günstiger gestalten. In ein und demselben Jahre starben Kö 
nig wie Erzbischof (i3go). Die zu Martinez haltende Priesterschaft 
wählte ihn zum Stellvertreter des Erzbischofs. Zugleich übernahm 
die im Namen des unmündigen Königs Heinrich III. auszuübende 
Regentschaft die Königin-Mutter Leonora, der Martinez als ehemali 
ger Beichtvater nahestand. Nunmehr war für die Umtriebe des aber 
witzigen Fanatikers Tür und Tor geöffnet. Zuallererst versandte Mar 
tinez an alle geistlichen Würdenträger der Diözese von Sevilla ein 
Rundschreiben mit der Anweisung, „die Synagogen, in denen die 
Feinde Gottes und der Kirche dem Götzendienst huldigen, bis auf 
den Grund zu zerstören“ und ihm die synagogalen Geräte als Sieges 
trophäen zukommen zu lassen. In einigen Städten gingen denn auch 
die Priester daran, dem Willen ihrer Obrigkeit Genüge zu tun, wäh 
rend in Sevilla Martinez selbst die. Sache in die Hand nahm. Am 
i5. März 1391 hielt er eine zündende Rede auf einem von einer un 
geheuren Menschenmenge überfluteten Platze. Er scheute sich nicht, 
die Christen von Sevilla in unzweideutigster Weise zu einem Überfall 
auf die Juden anzufeuern. Schon stürmte die Menge gegen das jüdi 
sche Viertel, doch gelang es den Stadtbehörden noch im letzten Augen
	        
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