Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
blick, den Gewalttätigkeiten Einhalt zu gebieten und die Menge zu 
zerstreuen. Auf Befehl des Stadthauptmanns (Alguazil) wurden zwei 
der Haupträdelsführer dingfest gemacht und öffentlich ausgepeitscht. 
Dies versetzte jedoch das Volk in noch größere Erregung, und so 
konnte sein Abgott Martinez das verbrecherische Work fortsetzen und 
Kräfte für einen neuen Anschlag sammeln. Drei Monate später kam 
es in der Tat zu einem neuen Überfall, der diesmal für die Armee der 
Mordbrenner und der Täufer mit einem vollen Triumph endete. Eines 
Morgens kamen die Christen von Sevilla, wohl auf Verabredung, von 
allen Seiten zu der „Juderia“ gelaufen, steckten sie in Brand und 
stürzten sich mordend und plündernd auf die Einwohner (6. Juni). 
Etwa 4ooo Juden kamen ums Leben, viele wurden zu Gefangenen ge 
macht und den Arabern als Sklaven verkauft, während der Rest, um 
dem Tode zu entrinnen, die Taufe über sich ergehen ließ. So wurde 
die alte blühende Gemeinde, die nahezu 6000 Familien zählte, mit 
einem Schlage vernichtet, wobei ihre Synagogen teils zerstört, teils 
in Kirchen umgewandelt wurden. Unter den zum Katholizismus 
Über getretenen befand sich auch der ehemalige Würdenträger am 
Hofe Heinrichs II., Samuel Abravanel, der bei der Taufe den Namen 
Johann de Sevilla annahm, später aber nach Portugal auswanderte 
und zum Judentum zurückkehrte. 
Das Blutbad von Sevilla gab das Zeichen zu Judenverfolgungen 
im ganzen Lande. In Sevilla liefen alle Fäden der klerikalen Verschwö 
rung zusammen, von hier aus ergingen die Kriegsbefehle und die 
taktischen Instruktionen. Die Tauflustigen schonen und die Starr 
köpfe niedermachen — so lautete das Grundgebot des „heiligen Krie 
ges“. Diese Taktik wurde denn auch überall befolgt, zugleich war es 
aber dem Pöbel zum Lohn für seine Mühe gestattet, das Hab und 
Gut der Juden gleichsam als Kriegsbeute an sich zu reißen 1 ). Ähn 
liche Schreckensszenen wie in Sevilla spielten sich auch in den im 
Bezirk dieser Stadt gelegenen Orten ab. Die Greueltaten, die in dem 
zweiten geschichtlich bedeutsamen Zentrum des jüdischen Spanien, 
in Cordova, verübt wurden, stellten die Verfolgungen, die die Juden 
hier einst unter den Almohaden zu erdulden hatten, weit in den Schat- 
Ü Der spanische Chronist jener Zeit, Ayala, selbst ein Augenzeuge dieser 
Geschehnisse, gibt in seiner „Chronik der Regierung Heinrichs III.“ offen zu, daß 
die Menge sich weniger aus religiösem Fanatismus als aus Raubgier zu ihren 
Untaten hinreißen ließ.
	        
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