Volltext: XIII. Jahrgang, 1908 (XIII. JG., 1908)

Seite 76. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 10. 
werker, niemand einen Baukredit werde geben wollen. 
Der Entwurf nun gibt dem Baukredite den Vorrang, 
ohne jedoch die Gewerbetreibenden zu schädigen. Sobald 
nämlich der Baukreditgeber die Valuta an das im Ent¬ 
würfe vorgesehene Baugeldamt abführt, erhält er den 
Vorrang vor sämtlichen Bauforderungen und erspart das 
Risiko und die Mühe und die Kosten der Kontrolle, die 
er bisher zu tragen hatte. Dieses Baugeldamt hat den 
Baukredit zu verwalten und zur Berichtigung der Bau¬ 
forderungen zu verwenden. Die Einrichtung des Bau¬ 
geldamtes ist kommunal gedacht. Allerdings knüpft das 
Gesetz an die Errichtung durch die Gemeinde die Be¬ 
dingung, daß die Gemeinde die Haftung für die pflicht¬ 
gemäße Geschäftsführung übernimmt. Damit ist zu¬ 
gleich auch ausgesprochen, daß die Wirksamkeit des 
Gesetzes von der Errichtung eines solchen Baugeldamtes 
und auch von der Übernahme der Haftung durch die 
Gemeinde für dasselbe abhängt. So sehr das Baugeldamt 
auch angegriffen werden kann und so viele Vorzüge der 
im deutschen Entwürfe vorgeschlagene Treuhänder haben 
mag, so viel ist gewiß, daß das Institut des Baugeldamtes 
gegenüber den früheren Entwürfen einen großen Fort¬ 
schritt bedeutet. 
Nach Fertigstellung des Hauses und Erteilung der 
baubehördlichen Benützungsbewilligung müssen binnen 
drei Monaten alle Bauforderungen angemeldet werden. 
Werden keine solchen Bauforderungen angemeldet, 
so wird der Bauvermerk gelöscht. Sind hingegen An¬ 
meldungen vorhanden, so wird eine Tagsatzung zur münd¬ 
lichen Verhandlung über dieselben angeordnet. (§ 13 
des Entwurfes.) 
Das Baugericht ist als Schöffengericht gedacht. Die 
Erkenntnisse desselben sind unanfechtbar. Gegen diese 
speziellen Vorschläge wurden mehrfache Bedenken 
geltend gemacht. Nach Abschluß des Verfahrens werden 
alle Bauforderungen in das Grundbuch eingetragen. 
Baukredit-Hypotheken kommen an erster Stelle, die 
übrigen Bauforderungen folgen nach und haben unter¬ 
einander gleiche Rangordnung. 
Wenn die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft, 
bei der ein Bauvermerk eingetragen ist, beantragt wird, 
obliegt die Durchführung des weiteren Verfahrens dem 
Exekutionsgerichte. Dieses hat jedoch wieder alle Akten 
dem Grundbuchsgerichte zu übermitteln, sobald die Exe¬ 
kution eingestellt wird. Durch diese mehrfache Aktenüber¬ 
sendung wird das Verfahren kompliziert und verzögert. 
§ 27 des Entwurfes stellt fest, daß auf die Be¬ 
günstigungen des Gesetzes nicht verzichtet werden kann, 
eine sehr notwendige Bostimmung, da z. B. der Mangel 
einer solchen im code civil in Frankreich dazu führte, 
daß die Bauunternehmer in die Verträge mit den Bau¬ 
gewerbetreibenden Verzichtklauseln aufnehmen ließen 
und dadurch die gesetzliche Bestimmung des Vorzugs¬ 
pfandrechtes illusorisch machten. 
Gegen den Entwurf wurde, wie gegen seine Vor¬ 
gänger eingewendet, daß eine ungünstige Beeinflussung 
der Bautätigkeit, eine Abschwächung der Baulust infolge 
des langwierigen Verfahrens befürchtet werden müsse. 
Auch werde die Belehnung von Baustellen leiden und 
der Verkauf unbelehnter Parzellen sei viel schwieriger. 
Auch werde der Verkauf von Häusern bis zur rechts¬ 
kräftigen Feststellung der Bauforderungen sehr erschwert 
sein. Hingegen sei der Kreis der geschützten Personen 
gering und auch das Maß des Schutzes, das ihnen ge¬ 
währt wird, kein bedeutendes. 
Bei objektiver Würdigung der ganzen Frage kommt 
Referent zu dem Resultate, daß die Forderung nach dem 
Schutze der Baugewerbetreibenden eine berechtigte sei, 
da es sich nicht um ein Problem, sondern um eine Be¬ 
seitigung eines formalen Rechtsprinzipes, das ein mate¬ 
rielles Unrecht in sich schließt, handelt. Der vorliegende 
Entwurf ist ein Kompromiß zwischen den Interessen der 
Gewerbetreibenden und Bauunternehmer. Er bedeutet 
nach der Richtung einen Fortschritt, daß man sucht, die 
Gewerbetreibenden zu schützen, ohne berechtigte Inter¬ 
essen zu verletzen. Allerdings erscheint das Problem 
in diesem Entwürfe nicht vollkommen gelöst. 
Herr Stadtzimmermeister Andreas Baudouin führte 
sodann aus: Das Baugewerbe ist durch die Zahl der in 
demselben beschäftigten Personen eines der wichtigsten 
der Monarchie. Von den nahezu drei Millionen Arbeitern, 
die in den Erzeugungsgewerben tätig sind, gehören mehr 
als 300.000 Mann, zirka 11 Prozent, dem Baugewerbe an. 
Deshalb wäre es Sache der Gesetzgebung, sich mit dem 
Baugewerbe mehr als bisher zu befassen, um ihm ins¬ 
besondere durch die Schaffung einer zeitgemäßen Bau¬ 
ordnung, durch die Reform des Baugewerbegesetzes vom 
Jahre 1893 und die Sicherung der Bauforderungen ge¬ 
sunde Grundlagen zu geben. Die Sicherung der Bau¬ 
forderungen wurde schon seit 20 Jahren im Niederöster¬ 
reichischen Gewerbevereine diskutiert. Zuletzt wurde im 
Sommer des Jahres 1907 auf Antrag des Herrn Otto Lang 
ein Komitee gebildet, das sich neuerdings mit der Frage 
des Vorzugspfandrechtes der Bauhandwerker befaßte. 
Dieses Komitee konnte sich, ebenso wie die meisten 
Interessentenverbände, nicht mit dem vom Subkomitee 
des Gewerbeausschusses des Abgeordnetenhauses ausge¬ 
arbeiteten Entwürfe, dem sogenannten Referate Kulp, 
einverstanden erklären, sondern beschloß, folgende Prin¬ 
zipien vorzuschlagen, die einen wirksamen Schutz der 
Bauhandwerker zu begründen geeignet sind, ohne die 
Bautätigkeit zu belasten. 
Das Komitee sprach sich dafür aus, den Schutz des 
Gesetzes auf Neubauten und Umbauten auszudehnen 
und nicht nur auf Wohngebäude zu beschränken, sondern 
auch die zu gewerblichen Zwecken dienenden Bauwerke 
einzubeziehen. Zur Ausführung des Baues soll in Hin¬ 
kunft neben der Bewilligung der Baubehörde noch die 
Bewilligung des Grundbuchgerichtes notwendig sein, die 
dann erteilt wird, wenn 
1. der Bauführer eine Kaution von 25 Prozent der 
voraussichtlichen Baukosten beim Grundbuchsgerichte 
erlegt, oder aber 
2. die Grundbuchseinlage nicht über den durch 
Schätzung zu ermittelnden Baustellenwert belastet ist, 
oder endlich 
3. wenn die Gläubiger für eine über den Baustellen¬ 
wert hinausgehende Belastung die Rückstellung geben. 
(Fortsetzung folgt.) 
Die gesundheitstechnischen Anlagen im 
modernen Bauwesen. 
Mit der Vergrößerung der Städte und dem damit 
zusammenhängenden Aufschwung der Baukunst und den 
Fortschritten auf dem Gebiete der Gesundheitslehre hat 
auch das Wort „Desinfektion“, d. h. Reinigung der Luft, 
sowie der Abfallwässer von gesundheitsschädlichen Bei¬ 
mischungen, eine große Bedeutung erhalten und bei
	        
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