Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Seite 60. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 7. 
Die Glasmalerei ist ausgemacht die reichste und 
prächtigste Anwendung der Kunst auf die innere Aus¬ 
schmückung monumentaler Gebäude. Der lebhafte Glanz 
der Farben, welchen das Glas vermöge seiner Durch¬ 
sichtigkeit erhält, die blendende Farbengebung, wTelche 
das Auge sowohl durch ihre Manigfaltigkeit als durch 
ihren Glanz mit Staunen erfüllt, verleiht den gemalten 
Glasfenstern eine eigentümliche Pracht und wird der 
Glasmalerei immer einen ausgezeichneten Rang unter den 
Künsten sichern. Gleichwohl ist nicht zu läugnen, daß 
die Glasmalerei mehr als jede andere schöne Kunst den 
Wechselfällen der Zeitereignisse unterworfen war, da sie 
ihrer Kostspieligkeit wegen zu ihrem Gedeihen jederzeit 
hoher Gönner und vom Glück begünstigter Verehrer be¬ 
durfte. Daher kam es denn, daß diese Kunst in unruhigen 
Zeiten schnell in Verfall geriet und dann nur noch in 
Klöstern von kunstgeübter Hand gepflegt wurde. Diese 
einsame Pflege der Kunst durch fromme Mönche be¬ 
wahrte die Glasmalerei nicht allein vor Vergessenheit, 
sondern trug wesentlich zu der nachmaligen Blüte der¬ 
selben bei. 
Mit dem Spitzbogenstil wurden die Fenster in den 
Kirchen vergrößert. Je weiter und kühner der Stil sich 
ausbildete, umsomehr schwanden die Wandflächen, wo 
man Bildertafeln aufhängen, Fresken und Mosaik oder 
Teppiche anbringen konnte. Als Ersatz für den Schmuck, 
welcher bisher die Andacht der gläubigen Menge heben, 
ihr durch das Auge die Lehren und Wahrheiten des 
Christentums zugänglich machen und lebendig erhalten 
sollte, diente jetzt die Glasmalerei. Bildliche Darstellungen 
waren im Mittelalter, vor Erfindung der Buchdruckerkunst, 
für die Menge das, was jetzt Bücher sind. Die hohen, 
schlanken Fenster würden ohne die Glasmalerei dem 
Ernste des Charakters der christlichen Kirche nicht ent¬ 
sprochen haben. Man konnte aber diesen Übelstand durch 
Glasmalerei leicht heben, einzig durch dieselbe die ge¬ 
heimnisvolle, durch das ungewisse, gebrochene Licht er¬ 
zeugte Wirkung dem Innern der Kirche wiedergeben, 
wie sie es in früheren Bauformen schon durch die ge¬ 
ringere Zahl der Fenster und deren kleinere Öffnungen 
gehabt hatten. 
Im XV. Jahrhundert blühte die Glasmalerei in Deutsch¬ 
land und in den kunst- und gewerbereichen Niederlanden. 
Köln besaß schon im XIII. Jahrhundert bedeutende 
Künstler in diesem Fache; dies beweisen die alten, 
schönen Fenster in der St. Cunibertskirche, welche teils 
noch der ursprünglichen musivischen Behandlung, teils 
den freien figürlichen Darstellungen angehören; sowie 
auch die Fenster des Chors im Dom zu Köln und die 
teppichartig behandelten Fenster der herrlichen Kirche 
zu Altenberg. In der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts 
finden wir die Familie Hirschvogel in Nürnberg und 
einen deutschen Dominikaner in Bologne, Jacques 
VAllemann aus Ulm, berühmt als Glasmaler. Letzterer, 
welcher 1491 starb, wurde noch im XVIII. Jahrhundert 
von der Pariser Glasergilde als Patron verehrt. Zwei 
deutsche Maler, Paulus und Christof, gaben 1459 der 
Domkirche in Toledo den gemalten Fensterschmuck. 
Unter den flamländischen Künstlern wird Jan van 
Eyck, genannt Johann von Brügge, geb. 1370, gewöhnlich 
als derjenige Künstler bezeichnet, der zuerst den soge¬ 
nannten Fluß bei der Glasmalerei angewandt haben soll. 
Wahrscheinlich vervollkommnete er den Gebrauch und 
die Anwendung dieses Mittels. Unter den holländischen 
Malern des XVI. Jahrhunderts beschäftigte sich besonders 
Lucas von Leyden (1494—1533) mit der Glasmalerei, wie 
überhaupt die meisten niederländischen und deutschen 
Maler dieser Periode, selbst Albrecht Dürer, neben der Öl¬ 
malerei auch mit der Glasmalerei sich befaßten. Wie be¬ 
deutend vom Anfänge des XVI. Jahrhunderts die Glas¬ 
malerei in Köln war, beweisen die Fenster im nördlichen 
Nebenschiffe des Langhauses im Dome zu Köln. Kunst¬ 
werte Werke der Glasmalerei aus dem XVI. und XVII. 
Jahrhundert haben in Köln die Kirchen von St. Maria, 
Lyskirchen und St. Peter daselbst noch heute aufzuweisen. 
Mit den bauprächtigsten Kirchen wurde aber die größte 
Pracht dieses Kirchenschmuckes, dessen sich Köln mehr 
denn irgend eine Stadt Deutschlands rühmen durfte, 
größtenteils zerstört, nicht selten bloß des Einfassungs¬ 
bleies wegen. Ganze Schiffsladungen wurden verkauft 
und später einzelne noch bestehende Kirchen des 
Schmuckes ihrer Fenster beraubt, weil es, wie sogenannte 
Kunstfreunde den Kirchenvorständen vorschwatzten, zu 
düster in den Kirchen sei. Das herrlichste der Glasmalerei 
aus dem XVI. Jahrhundert hat die Kirche des heiligen 
/Johann in Gouda in Südholland noch aufzuweisen; man 
kennt noch die Namen der Künstler, die sich in diesem 
Prachtwerke verewigt haben. 
In Frankreich blühte die Glasmalerei ebenfalls um 
diese Zeit. Der Papst Julius II. (1505—1514) ließ zwei 
französische Dominikaner, Claude und Bruder Wilhelm, 
von Marseille nach Rom kommen, wo sie unter Raphaels 
Leitung und nach seinen Kartones Glasgemälde für die 
Kapelle des Vatikans ausführten. Bruder Wilhelm, der 
nach Claudes Tode noch viele Fenster malte, starb 1537 
in Arezzo. Frankreich lieferte, als der Bolognese Franzesco 
Primaticcio, der Schützling Franz II., die zeichnenden 
und bildenden Künste in seiner Hauptstadt hob, mit den 
Werken eines Jean Cousin, de Pinaigrier kunstgediegene 
Glasgemälde, welche noch aus einzelnen Stücken in be¬ 
stimmten Farben zusamengesesetzt sind. Kräftiges, leben¬ 
diges Kolorit zeichnet die Werke französischer Meister 
aus. Am Ende des XVI. und zu Anfang des XVII. Jahr¬ 
hunderts kamen einzelne Glasmaler in Frankreich und 
Niederlanden auf die Versuche, ein vollständiges Bild auf 
eine Scheibe zu malen und dann zu brennen; es entstand 
die sogenannte Appreturmalerei. Mit diesem neuen Ver¬ 
fahren ging die Glasmalerei ihrem Verfalle rasch ent¬ 
gegen, wie dies verschiedene bedeutende Werke in Eng¬ 
land, Belgien etc. dartun, welche meist, einzelne Tinten 
abgerechnet, ihr Kolorit verloren haben. Wir brauchen 
nur die Diepenbeck’schen Fenster in der St. Gudula- 
Kirche in Brüssel, die Arbeiten von van Linge und 
Gilles in der Kapelle des Kollegiums zu Oxford anzu¬ 
führen. 
Mit besonderer Vorliebe wurde die Glasmalerei im 
XVIII. Jahrhundert in England gepflegt, doch schlugen 
die Künstler, wie Ettington, Jarvis, Forrest etc., eine dem 
eigentlichen Charakter der Glasmalerei geradezu wider¬ 
strebende Richtung ein, indem sie in ihren Glasgemälden 
Ölgemälde sklavisch nachzuahmen suchten und sich 
weder um die Haltbarkeit der Farben, noch um Schön¬ 
heit und Klarheit des Kolorits kümmerten. In den Kapellen 
zu Windsor und Oxford kann man sich von dem Ge¬ 
sagten überzeugen. 
Mit der Umgestaltung des Baustils und der Bauweise, 
mit der Veränderung des inneren Luxus der Wohnungen, 
zu deren Ausstattung vorzüglich Ölbilder gebraucht 
wurden, trat die Glasmalerei in den Hintergrund, und 
mit ihr verlor sich auch nach und nach die Kenntnis der
	        
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