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OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Nr. 3.
Renaissance anklingende romanische Ornamente, nament¬
lich als Fensterbrüstungsfüllungen, Verdachungs- und
Priesmotive.
Das romanische Ornament ist für sich weit reicher,
als der romanische Architekturstil, daher ein wesentlicher
Factor bei der Verschmelzung der drei Stilarten. Offenbar
sucht man durch gleichzeitige Anwendung verschiedener
Stilarten einen deutschen Stil zu componieren. Nament¬
lich in Berlin und Nürnberg findet man in neuester Zeit
vorzügliche Beispiele gothiscli - altdeutsch - romanischer
Bauten. Je mehr erkannt werden wird, dass der alt¬
deutsche Stil vorherrschend berufen ist, das Fundament
für einen nationalen Baustil zu bilden, desto näher wird
man dem Ziele rücken.
Die charakteristischen Elemente des altdeutschen
Stiles sind hauptsächlich : Eckhallen, auf einer Säule
ruhend, die möglichst kurz und gedrungen sein muss,
Erker auf Kranz steinen, mit Zinnen bekrönt, halbkreis¬
förmige Portalvorbauten mit Ecksäulen, Flankierthürm-
chen und Dreiecksgiebeln, die iiï einem ein- oder drei-
theiligen Aufsatz mit steilen Abdachungen oder Glocken-
thürmchen endigen. Auf die Gebäudeecken setzt man
fiuchtrecht quadratische, gedrungene Thürmchen mit
steilen Dächern, die mit grotesken Knäufen und Wetter¬
fahnen verziert werden. Diese Thürmchen auf den Ecken
aufsitzend, theils massiv, theils in reichgeschnitztem
Holzwerk, sind eine Specialität, namentlich der Nürn¬
berger Architekten des Mittelalters und werden in neuester
Zeit, weil specifisch deutsch, in den mannigfachsten
Variationen, vornehmlich in Nürnberg und Berlin an¬
gewendet.
Häufig sieht man nur einen achteckigen Erker als
Fortsetzung einer abgeschrägten Gebäudeecke. Das Erker¬
dach ist oft doppelt so hoch, als tier Corpus des Erkers ;
freilich eignen sich für so hohe Dächer hier nur Zeltdach¬
querschnitte ; ein Glockendach würde den Erker „er¬
drücken".
Der altdeutsche Stil kragt seine Balkone gern auf
Werksteinen, die nach oben zu immer länger werden
und nach vorn viertelkreisförmigen Querschnitt erhalten,
aus. Zwischen diesen Kragsteinen finden sich, haupt¬
sächlich bei alten Burgen, häufig eingeschaltete, sich
nach innen verjüngende, also conisch zulaufende Bögen,
deren äusserste Kanten rechteckig oder abgefast sind.
Dieses Bogenmotiv zwischen Consolen findet auch bei
Portalen und in der Gotliik entsprechende Anwendung;
doch pflegt dann die Profilierung reicher zu sein. Baiern
ist, wie kein anderes Land, die Wiege des altdeutschen
Stiles! Man wende sich z. B. nach Nürnberg, Landshut,
Rothenburg a. d. Tauber, München und Bamberg und
man wird eine unerschöpfliche Quelle der reizvollsten
altdeutschen Motive finden ; das Auge muss nur darnach
sein l In allen diesen Städten gelangte auch die alt¬
deutsche Portalarchitektur mit ihrem mehr oder weniger
reichen figürlichen Schmuck, ihren pikanten Arabesken,
der sich nach hinten verjüngenden Thurmnische, den
kleinen Seitennischen mit vorgesetzten Stein- oder Holz¬
bänken, zur Blüte. Diese Architektur verlangt einen ge¬
wissen Spielraum, der aber mit Rücksicht auf den Ver¬
kehr in den Hauptstädten, soweit es sich um dicht an
den Strassen zu errichtende Bauten handelt, allmählich
eingeschränkt werden musste.
Im Mittelalter gab es nur wenige, häufig auch gar
keine bestimmten baupolizeilichen Vorschriften, daher
finden sich in altdeutschen Städten häufig Freitreppen
vorgebaut, welche den Fussgänger nöthigen, das Trottoir
zu verlassen; unser im Zeichen des Verkehrs stehendes
Zeitalter verbietet von selbst solche Anlagen.
Welcher Verschiedenartigkeit in der Erkerausbildung
begegnen wir in den altbairischen Städten! Bald ist der
Erker rund, bald achteckig, bald wieder von dem aus
der Mauer herauswachsenden Oberleib eines Atlanten,
der bisweilen die Gesichtszüge des Baumeister zeigt,
getragen, bald sind es Kragsteine, die, nach unten immer
kürzer und schmäler werdend, die Eckerlast aufnehmen,
oder nur eine mit Rippen masswerkartig verzierte,
mächtige Hohlkehle! Hier sind die Kanten des Erkers
mit oben gewundenen, unten reich profilierten Säulchen,
die oben in Bögen auslaufen, geziert, dort sitzen zierliche
Pilaster, die sich durch das Gebälk fortsetzen und in
Balkonpostamenten endigen, an den Ecken. In den
Brüstungen zwischen den Säulen und Pilasterpostamenten
finden sich oft reizvolle Embleme, aus Ringen weit her-
ausgestregte interessante Köpfe, Sprüche oder kleine
Skulpturen. Scenen aus der Leidensgeschichte Christi
darstellend. Diese Erker sind ein- oder mehrstöckig, mit
Glocken- oder Zeltdach, seltener mit Mansarçklach abge¬
deckt. Ist der Erker nur ein- oder zweistöckig, so pflegt
er in einen Balkon zu endigen. Auch der altdeutsche
Ritterburgenthurm erfuhr in Nürnberg — weniger in
Rothenburg — seine Ausbildung. Sehr beliebt sind im
altdeutschen Stil die Auskragungen. Sie verleihen dem
Bauwerk eine weit solidere Wirkung als Consolen, setzen
allerdings nicht zu schwache Mauern und nicht zu breite,
darüber befindliche Thüren (bei Baikonen und einigen
Arten Erker) voraus.
Einer der ältesten Nürnberger Thürme besteht aus
einem unfangreichen Cylinder, auf welchem drei überein-
andergreifende Werksteinringe von viertelkreisförmigem
Querschnitt eiiien niedrigen Holzaufbau, der mit einem
hohen Kegeldach abgedeckt ist, den Uebergang zu dem
grösseren Thurmquerschnitt vermitteln. Dieses, Aus¬
kragungsmotiv hat bei den neuen Bauten Berlins, Leipzig,
Dresden und Kölns, sowie den von Nürnberg selbst,
vielfache Anwendung gefunden. Die altdeutschen Thürme
kommen in den verschiedensten Querschnitten vor. Bald
sind sie rund, bald quadratisch, bald sechs- oder acht¬
eckig. Die häufigsten sind die runden und quadratischen,
viele Thürme gehen auch vom Quadrat ins Achteck über.
In Rothenburg befindet sich ein interessanter, in
neuerer Zeit restaurierter quadratischer Thurm, (am
Klingenthor), dessen geschweiftes Zeltdach eine kleine,
langgestreckte, achteckige Laterne trägt. Etwa l1/2 Meter
unter dem kräftigen Hauptgesims ist das obere und letzte
Thurmgeschoss um sechs Centimeter ausgekragt ; in der
Mitte jeder Thurmseite sitzt ein. dreiseitiges, nach unten
pyramidenförmig verlaufendes, schlichtes Miniaturthürm-
chen mit winzig kleinen Fensterchen oben in der mittleren
Seite, Das Hauptgesims des grossen Thurmes gröpft sich
nun um die kleinen Thürmchen herum. Die .achteckigen
Dächer der kleinen Thürmchen sind geschweifte Zelt¬
dächer wie das des grossen Thurmes, und endigen in
einen schlichten Knauf.
Die malerische Wirkung dieses eigenartigen Thurmes
wird wesentlich durch bossierte Ecken, zwischen denen
das aus roh bearbeiteten Werksteinen verschiedenster
Grösse meist gefugt ist, erhöht.
Ein einfacheres, aber auch sehr malerisches Beispiel
ist das in der Stadtmauer befindliche Gartenhaus. Dasselbe
sitzt auf einer mächtig geschwungenen Hohlkehle, welche