Zur Geschichte üer pfarrmatrikeln.
von Sr. Josef Klemens Staülcr.
Noch vor wenigen Jahren glaubte man vielerorts, daß
Familienforschung ein Reservat gewisser bevorrechteter Kreise
sei. Da und dort stand der begeisterte Familienforscher sogar
im Rufe, ein schrullenhafter Zeitvergeuder zu sein. Heute ist
Deutschland ein Land der Familienforscher; wohl für die al
lermeisten Volksgenossen ist der Nachweis der arischen Ab
stammung durch Gesetz und Verordnung zur Pflicht geworden, für
sehr viele aber wurde inzwischen das Familienforschen mehr
als Pflicht: Lebhafte Freude an der Vergangenheit der eige
nen Sippe, liebgewordene Beschäftigung in freien Stunden,
manchmal sogar Sport und Leidenschaft. Die gewaltige Aus
dehnung der Familienforschung im neuen Reich hat die her
vorragende Bedeutung der Pfarrmatrikeln (Pfarrbllcher,
Kirchenbücher) als wichtigste sippenkundliche Quelle erst ins
rechte Licht gerückt. Vor dem t. Januar 1876 bildeten ja die
Matrikeln der christlichen Bekenntnisse in Deutschland allein
den öffentlich-rechtlichen Urkundenbeweis für alle Personen
standsveränderungen. Erst von diesem Tage ab nahmen auf
Grund Gesetzes' neugeschaffene Behörden, die sog. Standes
ämter, den kirchlichen Stellen die Beurkundungspflicht end
gültig ab.
Uber Entstehung und Frühgeschichte der Pfarrbllcher ist
schon viel geschrieben worden. Abzulehnen ist die Meinung,
daß schon in den ersten christlichen Jahrhunderten pfarrbuch-
ähnliche Aufzeichnungen bestanden hätten^. Auch dem Früh- und
Hochmittelalter waren Pfarrmatrikeln in unserem heutigen
Sinn völlig unbekannt; sie hätten auch dem aller Statistik
ungewohnten Denken des mittelalterlichen Menschen geradezu
widersprochen. Entfernt ähnliche Standesverzeichnisse treten zu
nächst im 14. Jahrhundert auf, vor allem in Südfrankreich
und Spanien. Sie verdankten ihr Dasein dem Wunsch und
auch der Notwendigkeit, angesichts der Bevölkerungszunahme
') Personenstandsgesetz von 6. Februar 1875.
2 ) Levison, Die Beurkundung des Personenstandes im Altertum
(1898), S. 28.