Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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zu lernen, betn empfehle ich dann noch die im Verlage von L. Volkmar kürzlich 
erschienene, eine Ergänzung der vorgenannten bildende Schrift von mir: „Die 
Folgen der Impfung in Volk und Armee". (Preis 50 Pf.) — Aus ihr 
wird man erfahren, in welcher Weite die deutsche Armee zur Aufrechthaltung 
des „Jmpfaberglaubens" von den Impfern benutzt wird. (Schluß folgt.) 
Die Kühne-Kur *) 4 
auf Grund der in 10 monatlicher Anwendung gewonnenen Erfahrungen kritisch beleuchtet 
von Leop. Siegl, Kaaden (Böhmen). 
Motto: Erst prüfen — dann urteilen. 
(Fortsetzung.) 
Damit ist der Leser im vollen Rechte. Immer und stets wird nach dem Gesetze der 
Logik der schließliche Erfolg das ausschlaggebende Moment für die Beurteilung einer Sache 
sein und bleiben, aber wohlgemerkt: der wirkliche Erfolg, nicht aber unkontrollierte, leicht 
fertig und ohne Sachkenntnis angefertigte Berichte über einen solchen. 
Ist erst der Kur- und Heilbericht der Ausdruck denkbar größter Gewissenhaftigkeit und 
strengster Wahrheit, und erfahren wir gleichzeitig die Mißerfolge, dann können wir ersteren 
eine entsprechende Bedeutung zuerkennen, früher nicht. 
Es sei mir nunmehr gestattet, das System Kühne im allgemeinen einer kurzen Be 
sprechung zu unterziehen. 
Ich beginne mit jenem Teil, auf welchen sich Kühne vor allem viel zu gute thut, 
mit der sogenannten Gesichtsausdruckskunde. Kühne behauptet, jedem Individuum sowohl 
bereits vorhandene, wie auch die Anlage zu künftigen Erkrankungen vom Gesichte bezw. Halse 
ablesen zu können; weshalb auch eine spezielle körperliche Untersuchung entfällt, das heißt, 
er folgert vorhandene oder künftig auftretende Krankheit aus der größeren oder geringeren 
Belastung mit sog. Fremdstoffen. Zur Erlernung dieser „Kunst" werden in Leipzig sogar 
besondere Kurse abgehalten — und besucht, ein Beweis, wie wenig die Menschen selbst in 
unserer aufgeklärten Zeit denken. Meine felsenfeste Ueberzeugung geht dahin, daß Kühne ^ 
und seine Jünger in den Gesichtern und an den Hälsen der Menschen genau so viel sehen, 
wie wir anderen Staubgeborenen auch, nämlich nichts. Es ist ja richtig, daß man aus dem 
Aeußeren mancher Kranken mit einiger Wahrscheinlichkeit aus gewisse Krankheiten schließen 
kann, so z. B. auf Gelbsucht, Leberleiden, Schwindsucht und Tuberkulose Fettsucht und 
Rückenmarksleiden re. Das betrifft aber immer nur wenige Fälle, und sind Täuschungen nie 
ausgeschlossen. Kühne geht aber weiter und stellt, ohne sich klugerweise in ein Spezialisierung 
des Leidens einzulassen, mit bestimmter Sicherheit einen bestehe den oder künftigen Krankheits 
zustand fest, indem er erklärt, der Kranke sei belastet. Das System ist mit so unglaublicher 
Schlauheit ausgedacht, daß eS eigentlich ganz unmöglich ist, Kuyne jemals des Gegenteils zu 
überführen. Wenn er nämlich einmal sagt: „Sie sind belastet" — und er sagt das immer, 
da nach seiner Behauptung ein unbelasteter, d. i. gesunder Mensch, kaum noch existiert und 
ein solcher, wenn er doch existierte, nicht zu Herrn Kühne käme — so könnte man den Gegen 
beweis nur damit führen, daß man bis ins höchste Alter niemals erkrankt. Einen solchen 
Beweis wird kein Bernünftiger antreten wollen, da bekanntlich Tausende Feinde die mensch 
liche Gesundheit unablässig bedrohen, also: Herr Kühne ist immer im Rechte. Leute, die 
AehnlicheS behaupteten, hat es zu allen Zeiten gegeben; so gab ein Pester Arzt vor, er sähe 
in den Augen der Menschen nicht nur deren künftige Krankheiten, sondern ihre ganzen 
Lebensschicksale. Einem Manne gab er die tröstliche Versicherung, daß er (der Mann) am 
Galgen sterben werde, er sähe in dessen Augen deutlich einen winzigen Galgen. Ein Mensch 
mit solchem „Scharfblicke" ist wohl im Irrenhause oder einer Strafanstalt am besten auf 
gehoben.**) 
Bei alledem hat Kühne eines nicht bedacht: daß es nämlich doch noch einige Menschen 14 
giebt, die sich ihre Denkfähigkeit bewahrt haben. Düse werden unschwer herausfinden, daß 
bei einem Heilverfahren, in welchem immer dieselben Kurmaßnahmen ausnahmslos Anwen- 
*) Indem wir bereits Herrn Rechtsanwalt Lothar Volkmar, als dem berufensten Ver 
treter der Kuhne-Kur, das Wort zur Gegenrede erteilt haben, bitten wir unsere Leser, 
ihre etwaigen Erfahrungen bezüglich der Reibesitzbäder kurz mitzuteilen, da wir diese 
Stimmen s. Z. als Schlußwort zu veröffentlichen gedenken. Für uns ist aber diese Frage 
allein wichtig: Sind die Erfolge besonders den Reibesttzbädern zuzuschreiben? Könnte Kühne 
derselben nicht auch ruhig entbehren? D. Red. 
**) Ist damit Or. Peczely in Pest gemeint? Dessen Augendiagnose ist denn doch ernst 
hafter zu nehmen, und scheint sie der Verfasser absolut nicht zu kennen! D. Red.
	        
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