Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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ihr Hilfsorgan, eine Hilfsmaschine zur Fortbewegung des Blutes. Atem 
muskulatur und Herzmuskel stehen mit einander im innigen Zusammenhang; 
jede Störung im Atmungsapparat äußert sich auch im Hilfsorgan und um 
gekehrt. 
Die Atmiatrie bezweckt, durch ein mit Absicht und Methode geübtes 
kräftiges Atmen, Vollatmen, Tiefatmeu in staubfreier, frischer, sauer 
stofffreier Luft das gewohnheitsgemäße mangelhafte Atmen und seine Folgen 
auszugleichen. Die methodische Ausbildung der Atmungsorgane geschieht 
1. durch Lungengymnastik, 2. allgemeine Gymnastik, von welcher 
erstere nur ein Teil, 3. unwillkürliche Atemübungen beim Gehen, Laufen, 
Reiten, Schlittschuhlaufen, Schwimmen, Rudern, Steigen. In dieser Reihen 
folge ist zugleich im Allgemeinen eine Verstärkung der Einwirkung auf 
Atem, Kreislauf und Stoffwechsel angedeutet. 
Um eine methodische Steigerung des Atmens zu erzielen, findet man in 
den gangbaren Handbüchern (als. die bekanntesten nenne ich hier die An 
leitungen von Angerstein und Eckler, Schreber, das Hantelbüchlein von 
Kloß, Schuldiätetik von Klencke, Lungengymnastik von Huperz, die „Lunge" 
von Niemeyer) als Lungengymnastik vielfach direkt vom Willen ab 
hängige Uebungen verzeichnet, bestehend in Ein- und Ausatmen nach 
Takt mit lautem Zählen. Ich finde, daß diese Uebungen zu wenig Ab 
wechselung und Zerstreuung bieten, als daß sie auf die Dauer durchgeführt 
werden; andererseits ist zu befürchten, daß, wenn sie aus Liebhaberei oder 
Nachahmungssucht auch außerhalb der Schule zur Ausführung gelangen, leicht 
zu Uebertreibungen und dadurch zu Schädigungen der Gesundheit Anlaß ge 
geben wird, wovon später die Rede. Angesehene Schulmänner, mit denen 
ich über die geäußerten Bedenken Rücksprache genommen, haben meine Ansicht 
bestätigt. 
Wichtiger für unseren Zweck sind Freiübungen, welche in großer 
Anzahl hergestellt und durch den Gebrauch von Stab oder Hanteln ergänzt 
und verstärkt werden können. Da der Arm, wie wir ausführlich 
erörtert, ein wesentliches Hindernis des Vollatmens bildet, so werden sich 
namentlich solche Uebungen empfehlen, welche bei emporgestrecktem Arm vor 
genommen werden. Hierher gehören das Armheben seilwärts, das Arm 
kreisen in großen Kreisen (Mühle), sowie in kleineren (Trichterkreisen). 
Das Trichterkreisen ist die leichtere, milder wirkende Uebung, welche als Ein- 
eitung und Vorübung zur Mühle ausgeführt werden kann. Das Schulter- 
heben, das Zusammenschlagen und Auseinanderschlagen der Arme, 
das Armschwingen vor- und rückwärts und eine Menge anderer hier nicht 
ausführlich zu betrachtender Uebungen dienen zur Unterstützung der Ab 
wechselung. Als eine vortreffliche lungengymnastische Uebung ist das Arm 
heben der einen Seite mit gleichzeitigen, möglichst tiefen Rumpf 
beugen nach der anderen Seite zu betrachten, eine Bewegung, die in den 
genannten gangbaren Anweisungen nicht abgebildet worden, wohl aber den 
Franzosen schon längst bekannt ist. Keine der lungengymnastischen Freiübungen 
vermag so vollkommen zur Kräftigung sämtlicher Atemmuskelu, all 
seitigen Erweiterung der Brusthöhle, Beförderung des Tiefatmens bei 
zutragen, wovon man sich leicht überzeugen wird, wenn man die Uebung 
20 bis 30 mal abwechselnd bei hochgehobenem, möglichst nach hinten gerichtetem 
Arm und vollkommen ausgiebigem Rumpfbeugen nach der anderen Seite vor 
nimmt. Alle diese Uebungen dienen nicht nur zum Erhalt der Atmungskräftig-- 
keit, sondern bilden bei mangelhafter Ausbildung des Brustkorbes und der 
Atmungsorgane (schwacher Brust) wichtige Schutzmittel vor Erkrankungen,
	        
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