Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Zur Rin-espficge. 
Nachtrag zu den medizinischen Merkversen. 
Mom Keransgever. 
(F-orlsetzung.) 
3. Mangel an der den Kindern höchst nöthigen Pflege. 
So unbeholfen wie der Mensch betritt kein Thier das irdische Dasein,, 
darum ist er auch ganz besonders auf die elterliche Pflege angewiesen 
und geht in Ermangelung derselben leichter zu Grunde, als jenes. Diese 
elterliche Pflege muß sich nun unbedingt auf die nachstehenden 6 Punkte ins 
gesammt erstrecken: Luft, Licht, Kleidung, Reinlichkeit, Temperatur, Nahrung. 
1) Luft; der Mensch gehört zu den Luftthieren, also muß dem Neugeborenen 
auch bei Tag und bei Nacht eine rein e Luft dargereicht werden; aber wie 
sieht es in dieser Beziehung, namentlich im Winter, mit der S t u b e n l u f t 
ans, in der eine kindliche Lunge monatelang athmen muß? Im Artikel „Ge 
sundheitspflege" ist schon ein Weiteres über die Wichtigkeit reiner Luft für 
unsere Athmungsorgane gesagt worden, daher kann ich mich darauf beschränken, 
diesen Punkt kurz anzuführen und als den wichtigste n einzuschärfen — 
reine und im Winter mäßig warme Luft bei Tag und Nacht in 
der Kinderstube und möglichst oft und lange kleine Kinder in's Freie gebracht, 
wenn es die Witterung nur immer erlaubt! 
„In Schwaben und in Bayern und auch sonst vielfach im deutschen Reiche 
gilt oftmals als erste Regel für eine Wochenstube: nur jede frische Luft 
fern halten! Die Fenster der Wvchcnstube, welche oft genug als Wohn 
stube für die ganze Familie dienr, werden nicht geöffnet und dazu kommt 
noch, daß in der kalten Jahreszeit meist ganz unvernünftig stark eingeheizt 
wird! Die Folge davon ist: die frische gute Luft kann von außen nur 
sehr ungenügend hereintrctcn ut das Zimmer und die durch die Athmung und 
die Ausdünstung der Bewohner und durch das starke Ofenfcuer verdorbene 
Zimmerluft kann nicht gehörig hinaus. So sind denn die Bewohner des 
Zimmers genöthigt, den Winter über schlechte Luft einzuaihmen: die Großen 
kommen immer wieder zwischen durch an die frische Luft, die kleinen Kinder 
aber müssen im Zimmer verbleiben, müssen Tag aus Tag ein die ganze kalte 
Jahreszeit über die vcrddrbene ungenügende Luft einathmen. Der Mensch 
braucht nun aber zu seiner Blutbildung, zu seinem Leben, gute Luft, eine bestimmte 
Menge des in der Atmosphäre euthaltcuen Sauerstoffes und wo, wie in so 
schlecht gelüfteten Zimmern, ihm diese Menge frischer Luft nicht zugeführt 
wird, da erkrankt er, seine Ernährung leidet und langdauernde Krankheiten 
der Lungen können ihn befallen! Aber wie der Mensch überhaupt zähe ist, so 
auch die kleinen Menschen der jüngsten Altersklasse. Sie können auch diese 
Schädlichkeiten eine Zeit lang aushalten und so macht sich denn auch der Ein 
fluß verdorbener Stubenluft auf die Höhe der Kindersterblichkeit nicht sofort, 
nicht schon im Winter selbst, sondern erst dann geltend, wenn diese Schädlich 
keit längere Zeit eingewirkt hat. Erst im Frühjahr treten die Folgen 
dieser ungünstigen Verhältnisse in einem Steigen der Kindersterblichkeit zu Tage 
und gerade in den wohlhabenderen Klassen, wo auch Kim Eintritt des ersten 
warmen Wetters die Kinder so häufig immer noch ängstlich vor jedem Luftzug 
gehütet werden, ist um diese Zeit die Sterblichkeit besonders an zehrenden 
Athmungskrankheiten eine große. Solche Kinder haben wohl eine bessere Luft 
eingcathmct als die der Armen, aber sie haben eine immerhin auch ver-
	        
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