Volltext: Conrad von Hötzendorf

JUBEL IN DER ARMEE 
Schicksalsschlag getroffen“ und ihn aus dem Wirkungskreis ge¬ 
drängt habe, der ihm als Abschluß seiner Laufbahn vorschwebte. 
Am folgenden Tag wurde Conrad vom Kaiser in Audienz emp¬ 
fangen; Se. Majestät ernannte ihn mit kurzen, bestimmten Wor¬ 
ten zum Chef des Generalstabes. Mit einem Handschreiben vom 
18. November 1906 wurde die Ernennung veröffentlicht. 
Über den Verlauf dieser Audienz schreibt Conrad, er habe 
auch dem Kaiser gegenüber Bedenken hinsichtlich seiner Wahl 
geltend gemacht und ihn gebeten, wenn er schon diese Stelle 
annehmen müsse, eine Bitte vortragen zu dürfen. Auf die Auf¬ 
forderung des Kaisers sagte Conrad: „Ich bitte Eure Majestät, 
stets unumwunden meine Ansichten und Meinungen sowie offen 
die Wahrheit sagen zu dürfen“, worauf der Kaiser erwiderte: 
„Ich gestatte Ihnen dies nicht nur, sondern ich mache es Ihnen 
zur Pflicht.“ Conrad hat von dieser kaiserlichen Zusage in der 
Folge vielfach Gebrauch gemacht. „Kaiser Franz Joseph hat den 
Standpunkt absoluter Offenheit und Wahrheit, wenn auch oft 
unter sichtlichem Ärger, der manchmal zu erregten Szenen führte, 
stets akzeptiert; vornehm, wie er war, hielt er aber an dem 
gegebenen Versprechen fest.“ 
Getragen von dem Vertrauen seines Allerhöchsten Kriegs¬ 
herrn, des Erben des Thrones und der Armee, stand Conrad 
nunmehr an der Spitze des Generalstabes. Ein Jubel ging durch 
das Heer. Jeder Offizier kannte ihn, sein Ruf war in die ent¬ 
ferntesten Garnisonen des weiten Reiches gedrungen. Er galt 
als der beste Kenner des Infanteriekampfes und moderner, 
kriegsmäßiger Ausbildung. Frisches, schneller pulsierendes Blut 
sollte in die höhere Führung dringen, der alte Exerzierplatz¬ 
drill durch eine Ausbildung ersetzt werden, die ausschließlich 
den Bedürfnissen des Krieges Rechnung trug. 
Schwer sahen die Kaiserjäger ihren Divisionär scheiden, schwer 
verließ auch er seine Jäger und die Tiroler Berge und zog in 
die Hauptstadt des Reiches, dessen Schutz ihm nun an vertraut 
war. Aus dem Truppenkommandanten Conrad war der für die 
Führung im Kriege verantwortliche Chef des Generalstabes ge¬ 
worden. Conrad war ein ebenso glühender Patriot wie ein treuer 
Diener des Erzhauses: ihnen beiden galt fortan in verstärktem 
Maße sein Wollen und Wirken. 
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