Volltext: Conrad von Hötzendorf

BERUFUNG INS BELVEDERE 
Erzherzog einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt Conrads ge¬ 
wonnen. 
Es verging ein Jahr bis zur nächsten Begegnung. Als Conrad 
1904 die Manöver seiner Division in Oberösterreich leitete, er¬ 
schien der Erzherzog bei strömendem Regen, ganz durchnäßt, 
im offenen Auto gegen Abend im Standorte des Divisionskom¬ 
mandos und nahm in bester Stimmung das Abendbrot mit den 
Offizieren ein. Am folgenden Tag fand bei schlechtem Wetter 
eine Übung statt, die sehr instruktiv verlief. Conrad und seine 
Truppen hörten wieder Worte der Anerkennung. 
Entscheidend für den Entschluß des Thronfolgers, Conrad zum 
Chef des Generalstabes vorzuschlagen, waren die Manöver im 
Nonstal. Conrad hatte die Empfindung, von ihm als Soldat rich¬ 
tig eingeschätzt zu werden. Ob sich der Erzherzog auch die 
Mühe genommen hatte, seine militärwissenschaftlichen Arbeiten 
zu lesen und aus ihnen auf seine Auffassung in strategischen 
und taktischen Fragen zu schließen, wußte Conrad nicht. Auf 
jeden Fall hatte er sich dem Erben des Thrones frei und offen 
gegeben, wie er war: einfach, aber unwandelbar in seinen An¬ 
sichten, vor allem unnachgiebig in der Forderung hoher physi¬ 
scher Leistungen an die Truppen und Führer. Aber gerade in 
dieser Hinsicht hatte der Thronfolger Bedenken, trotzdem Con¬ 
rad sich bisher in allen Stellungen die Anhänglichkeit seiner 
Untergebenen zu erwerben verstanden hatte. 
Im Herbst 1906 erhielt Conrad eine Berufung ins Belvedere 
nach Wien. Unmittelbar nach der Meldung erklärte ihm der 
Erzherzog Franz Ferdinand, daß er ihn dem Kaiser als Nachfolger 
des Chefs des Generalstabes vorgeschlagen habe und erwarte, 
er werde nicht „nein“ sagen. Conrad war aufs höchste über¬ 
rascht. „Die erzherzogliche Eröffnung traf mich wie ein Blitz 
aus heiterem Himmel“, schreibt er darüber, „ja sie berührte 
mich überaus unangenehm, nicht nur weil ich eine ausgesprochene 
Aversion gegen die mir zugedachte Verwendung hatte, überdies 
seit fünfzehn Jahren (eine zehnmonatige Unterbrechung abge¬ 
rechnet) im Truppendienste stand, dem Generalstabe also ganz 
entfremdet war, sondern auch deshalb, weil es mir schwerfiel, 
mich von meinen Truppen und der dienstlichen Tätigkeit in 
dem mir so liebgewordenen Tirol zu trennen.“ 
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