Volltext: Conrad von Hötzendorf

WER SOLL CHEF WERDEN? 
Conrad bat den Erzherzog, von seiner Absicht abzusehen. Bei 
der folgenden Aussprache empfahl er den General Potiorek als 
Nachfolger des Feldzeugmeisters Beck, den der Erzherzog jedoch 
ablehnte. Mit den Worten: „Also, im ersten Ansturm habe ich 
die Festung nicht genommen“, schloß diese erste Bemühung des 
Thronfolgers, Conrad zu gewinnen. 
Aber schon wenige Wochen später, im November desselben 
Jahres, erhielt er ein Schreiben des Flügeladjutanten, des Majors 
Alexander Brosch von Aarenau.* Es setzte ihn in Kenntnis, daß 
der Thronfolger ihn anläßlich eines Vortrages bei Sr. Majestät 
als Nachfolger des Chefs des Generalstabes vorgeschlagen habe. 
Major von Brosch fügte hinzu, daß ein weiteres Sträuben gegen 
diese Berufung nicht nur zwecklos wäre, sondern geeignet schiene, 
Se. kaiserliche Hoheit, die Conrad ein unbegrenztes Vertrauen 
und größte Sympathie entgegenbringe, tief zu kränken. 
Diesem Schreiben war eine charakteristische Szene vorange¬ 
gangen. Major von Brosch, der eine Truppendienstleistung bei den 
Kaiserjägern unter Conrad mitgemacht hatte, war ein begeisterter 
Vorkämpfer für dessen Berufung zum Chef des Generalstabes. 
Als sich der Thronfolger zu dieser Wahl nicht entschließen 
konnte, bat ihn sein Flügeladjutant, den nächstbesten Offizier 
auf der Straße zu fragen, wer Chef des Generalstabes werden 
solle. Darauf bezog sich der folgende Satz des Flügeladjutanten: 
„Daß Se. kaiserliche Hoheit orientiert ist, daß die ganze 
Armee die Berufung Eurer Exzellenz wünscht, ist Eurer Ex¬ 
zellenz bekannt; Se. kaiserliche Hoheit hat aber auch vom Erz¬ 
herzog Friedrich, insbesondere aber vom Erzherzog Eugen Be¬ 
richt erhalten, daß ihrer Ansicht nach Eure Exzellenz die geeig¬ 
netste Persönlichkeit für den Posten des Chefs des General¬ 
stabes seien.“ 
Diesmal gab es keinen Ausweg. Der Erzherzog appellierte an 
Conrads militärisches Pflichtgefühl, das vom Offizier forderte, 
jeden aufgetragenen Dienst zu übernehmen Er verließ das Bel¬ 
vedere in „nachdenklicher, eigentlich gedrückter Stimmung“, mit 
dem Empfinden, daß ihn ein für seine Existenz „entscheidender 
* Brosch fand als Oberst und Kommandant des 2. Regiments der 
Tiroler Kaiserjäger auf dem russischen Kriegsschauplätze 1914 den 
Heldentod. 
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