Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

im io. Jahrhundert durch gefälschte Urkunden zu erhärten sich be 
strebte 1 ). 
Neben den Bischöfen Paulinus von Tiburnia und Constantius von 
Lorch nennt die vita Severini dann noch als „einstigen Bischof der 
beiden Rätien“ und Abt den heiligen Valentin 2 ). 
Was die Kompetenzen dieser Bischöfe anbelangt, so erscheint es 
einmal, wie gesagt, höchst fraglich, ob in der Provinz Norikum die 
Metropolitan Verfassung bestanden hat, weiter aber kann darüber kein 
ernster Zweifel obwalten, daß die Unterscheidung zwischen Bischöfen 
und Presbytern, die das 2. Jahrhundert im Morgenland noch nicht ge 
kannt hat 3 ), zur vollen Ausbildung gelangt ist. Ausdrücklich wird be 
merkt, daß der Presbyter Paulinus mit seiner Berufung als Bischof die 
höchste priesterliche Würde erlangt. Über die Amtsbefugnisse im ein 
zelnen hören wir nichts weiter. Wenn Paulinus von Tiburnia ein drei 
tägiges Fasten für seinen Sprengel gebietet und wenn Constantius unter 
den Bürgern von Lorch einen nächtlichen militärischen Wachtdienst 
organisiert, so erscheinen die Handlungen der beiden Bischöfe durch 
aus nicht etwa als Ausfluß ihrer bischöflichen Amtsstellung, denn im 
11. Kapitel sind es die Presbyter von Küchel an der Salza (Cucullis), 
die ein dreitägiges Fasten ankündigen 4 ), und das Vorgehen des Con 
stantius zeigt ihn wohl als Oberhaupt seiner Residenz, als einen jener 
Bischöfe, die beim Wegfall der Magistratspersonen die Verwaltung über 
nahmen 5 ), aber nicht als Oberhaupt seiner Diözese. Es ist das um so 
beachtenswerter, als noch die Notitia dignitatum zu Anfang des 5. Jahr 
hunderts Lauriacum als Standort eines Präfekten der 2. Legion und 
eines Präfekten der Donauflotte kennt 6 ). Beide Male sind die bischöf 
lichen Maßregeln durch Severin veranlaßt worden, aber beide Male hat 
*) Dümmler, Piligrim von Passaii und das Erzbistum Lorch 1854. K-. Uhlirz, Die Urkunden 
zu Passau im 10. Jahrhundert. Mitt. d. Wiener Inst. III 177—228. Sickel ebenda Erg. 
II 135 ff. 
2 ) Cap. 41, 1: abbatis sui sancti Yalentini, Raetiarum quondam episcopi (p. 48, 25). 
Yergl. Rettberg, Kirchengeschichte I 220f. Dümmler a. a. O. S. 79. 188 A. 12. 
3 ) Friedberg, Kirchenrecht S. 15. 16. Sommerlad, Das Wirtschaftsprogramm der Kirche S. 35. 
4 ) Cap. 11, 2: ieiunium triduanum per presbyteros loci persuasit indici (p. 22, 27). 
5 ) S. Marina, Romanentum und Germanenwelt, deutsch von E. Müller-Köder 1900 S. 294. 
6 ) Notitia dignitatum Occ. c. 33: praefectus legionis secundae Lauriaco, praefectus classis 
Lauriacensis. Als Kolonie hatte Lauriacum auch früher einen Magistrat, vielleicht war es 
ehedem auch Sitz des ufernorischen Statthalters. Vergl. Glück a. a. O. S. 116. 
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