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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst.
rohen Votivreliefs wie früher (S. 562) und stiftet mit freiwilligen Bei
trägen punische Heiligtümer. 1 ) Die Erinnerung an die einstige Macht
gibt den eigentlichen Afrikanern immer noch einen hauptstädtischen An
strich. Karthago ringt Lugdunum die zweite Stelle im Reiche ab und
hat hervorragende Gebäude, z. B. ein Odeon, Septizonium und eine Chal-
kostegis. 2 ) Aber selbst die Grenzstädte, die eigentlich militärische Lager
waren, übertreffen gleichartige Anlagen in anderen Provinzen bei weitem
an Eleganz und Komfort. In der Litteratur beobachtet man ein lebhaftes
Gefühl für die Kunst. 3 ) Eine einheimische Plastik war auf die einheimi
schen Brüche des gelben und roten „Marmors“ angewiesen und wahr
scheinlich wurden manche Statuen fertig nach Rom gebracht (S. 714).
Der Erzguss scheint etwas in Abnahme. 4 ) Götterbilder fertigte man aus
Holz 5 ) wie aus Silber, 6 ) in ganzer wie in halber Figur, 7 ) aber sie gingen
aus „Kunstanstalten“ hervor. 8 ) Die schönen Mosaiken, an denen Afrika
reich ist, kamen wohl aus Italien; 9 ) die Gebäude selbst, von welcher Art
sie auch sein mögen, weisen die allgemein römischen Typen auf, doch ist
auch hier die in Syrien am meisten blühende neue Art der Dekoration
z. B. am Janus Quadrifrons zu Theveste und dem Praetorium von Lam-
baesa zu bemerken. 10 ) Hie und da jedoch trifft man auf selbständige Ver
suche, z. B. ein modern anmutendes Relief mit Darstellung von Luft,
Erde und Wasser. 11 ) In dem Königreich Mauretanien wird der Helle
nismus von Juba II. (25 v. Chr. — 23 n. Chr.) künstlich betrieben; er hat
griechische Inschriften in Jol-Caesarea (Scherschel) 12 ) und einzelne inte
ressante Porträtbilder hinterlassen. 13 )
Neben Afrika spielt Spanien eine sehr bescheidene Rolle, weil sein
Naturreichtum nicht dem Lande, sondern der Hauptstadt zu gute kam
und Spanien von den Welthandelsstrassen etwas abseits lag. Der Norden
und der Westen behielten ihren Götterglauben 14 ) und demzufolge ihre alte
religiöse Kunst, während die andere Landeshälfte nach Rom gravitierte.
Hier fanden die römischen Mosaikfabriken ein Absatzgebiet; das an sich
unschöne Mosaik von Barcelona, welches die Zirkusspiele darstellt, 15 ) ist
wenigstens antiquarisch bekannt.
363. Gallien grenzt sich in der Kunstgeschichte schärfer ab. 16 ) Nach
J ) Grosse punische Inschrift: Berger,
Academie des inscr. 1893 janvier; lateinische
Inschrift aus Numlulis J. 170: Ra. III 20, 215.
2 ) Für die Archäologie Karthagos ist
die Appendix Probi zu benützen, deren indi
viduelle Teile trotz W. Förster (Wiener
Studien 1892, 2 ff.) afrikanisch sind.
8 ) Z. B. Apul. apol. 14. 33 f.
4 ) Vgl. Apul. apol. 14.
5 ) Tertull. idol. (Mars); Apul. apol. (Mer
kur).
6 ) CIL. VIII 6981.
7 ) Thorace Caelestis Augustae CIL.
VIII 993.
8 ) Ex oficina Murism(i), Inschrift einer
Venusstatue von Scherschel (Mowat, Ra. III
12, 145 ff.).
9 ) Mosaik von Hadrumetum mit Dar
stellung des Labyrinthes: Acad. des inscr.
CR. 1892, 318 ff. m. Abb.; teppichartiges Mo
saik mit ägyptisierenden Darstellungen: Ra.
III 20, 217 ff. T. 21.
10 ) Z. B. Mausoleum des Flavianus mit
pyramidenähnlichem Aufsatze: Ra. VIIT. 140.
n ) AZ. 1864 T. 189,2; vgl. Kalkmann,
Jahrb. 1, 255 ff.
12 ) Ra. III 17, 19 f.
13 ) Büsten des Ptolemaios (23—40 n.
Chr.): Helbig, Führer I Nr. 33; Wolters
Nr. 1645.
14 ) Mommsen, röm. Gesch. 5, 68, 1.
15 ) A. 1863 T. D; Al. Laborde, descr.
d’un pavö en mos. dec. dans l’anc. ville d’
Italica, Paris 1802, m. 22 T. f.
16 ) Litteratur: S. 703 f.; A. de Caumont,