548 Der Angriff des Oberdefehlshabers Ost gegen die russische Narew-FronL.
14. August.
hat sich, wie zu erwarten war, der Zange entzogen und läßt sich frontal in
der ihm erwünschten Richtung zurückdrängen. Er vermag sich mit Hilfe
seiner guten Bahnen nach Belieben zu gruppieren und starke Kräfte gegen
meinen, seine Verbindungen bedrohenden linken Flügel zu führen. Diesen
sehe ich als gefährdet an. Andererseits ist nur noch aus Gegend Kotono ein
entscheidender Schlag möglich, obgleich hierfür leider bedenklich viel Zeit ver¬
loren ist. Ich beantrage daher nochmals dringend eine Verstärkung meines
linken Flügels, um je nach deren Ausfall entweder offensiv zu werden oder
wenigstens das bis jetzt gewonnene Gebiet zu behaupten. Daß ich in der
Offensive meines linken Flügels gegen Verbindungen und Rücken des Fein¬
des die einzige Möglichkeit zu desien Vernichtung erblickt habe, betone ich
nochmals. Diese Offensive ist wahrscheinlich auch jetzt noch das alleinige
Mittel, einen neuen Feldzug zu vermeiden, im Falle es hierzu nicht bereits
zu spät ist."
• Demgegenüber legte General vonFalkenhayn in seiner ausführ¬
lichen Antwort vom 14. August dar: „Eine Vernichtung des Feindes ist von
den laufenden Operationen im Osten niemals erhofft worden, sondern ledig¬
lich ein den Zwecken der Obersten Heeresleitung entsprechender entscheidender
Sieg. Die Vernichtung im ganzen durste in vorliegendem Falle nach meiner
Ansicht, die nach Billigung durch Seine Majestät allein maßgebend bleiben
muß, auch nicht angestrebt werden. Es fehlen einfach die Grundbedingungen
dafür, denn man kann einen der Zahl nach weit überlegenen, frontal gegen¬
überstehenden Gegner nicht zu vernichten streben, der über vorzügliche Ver¬
bindungen, beliebige Zeit und unbeschränkten Raum verfügt, während man
selbst in eisenbahnlosem, wegearmem Gelände mit enger Zeitbegrenzung und
in Verbindung mit sehr vielen nicht stoßkräftigen, teilweise sogar nicht wider¬
standsfähigen Truppen zu operieren gezwungen ist. Daß der Feind aber jetzt
schon für unsere Zwecke entscheidend geschlagen ist, wird niemand bezweifeln,
der sich vergegenwärtigt, daß die Russen in drei Monaten etwa 750 000
Mann allein an Gefangenen, ungezähltes Material, neben Galizien das
Königreich Polen und das Herzogtum Kurland, endlich die Möglichkeit ver¬
loren haben, Osterreich-Angarn während der Einleitung des italienischen
Krieges oder überhaupt in absehbarer Zeit ernstlich zu bedrohen, sowie die
andere, ihre Odeffa-Armee, im kritischen Moment am Balkan einzusetzen. Es
besteht ferner einige Aussicht, daß sich die Ergebnisse der Operationen noch
erhöhen, da es gelungen ist, in den Raum zwischen Vialystok und Brest
Litowsk nicht weniger als fünf gründlich geschlagene feindliche Armeen zu
drängen." — Daneben räumte der Generalstabschef jetzt zum ersten Male
ein, die Operation wäre „vermutlich noch entscheidender verlaufen, wenn
es möglich gewesen wäre, gleichzeitig mit ihr einen Stoß über den Njemm