Die Wandlung der Reiterei
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lungen über die Verwendung der Waffe hatten sich als großer Irrtum er¬
wiesen. Weder die Ausrüstung, noch die Gefechtsführung hatten dem Ernst
der Stunde standzuhalten vermocht. Die glitzernde Uniform verschwand
im Grau des galizischen Herbstes allmählich aus dem Bilde der Armee
und machte der schlichteren Feldfarbe Plate. Der Feuerkampf mit dem
abgeschnallten Karabiner trat an die Stelle der Attacke mit dem blanken
Pallasch. Von den Husaren bei Limanowa-Lapanów wurde erzählt, daß sie
sich im Nahkampf aus Mangel an Bajonetten der spornbewehrten Ab¬
sätze ihrer ausgezogenen Stiefel bedient hätten. Auch der Ruf nach dem
von der Infanterie so außerordentlich geschätzten Spaten verstummte nicht
mehr, bis er erfüllt wurde. Pferde gab es wohl noch genug im Reiche, um
die vielen zugrundegegangenen Tiere zu ersetzen, aber die Dressur fehlte
und konnte nicht in ein paar Wochen nachgeholt werden. So entstand,
aus nicht mehr berittenen „Füßlern" zusammengezogen, um die Jahres¬
wende bei einzelnen Kavalleriedivisionen die erste „Schützenabteilung",
deren Auftreten für den weiteren Werdegang der Waffe symbolisch werden
sollte. Gewiß gab es auch für größere Reiterverbände noch Verwendungen,
die dem Traume der Friedenszeit entsprachen. Im allgemeinen überwog
aber doch schon die Rolle einer berittenen Infanterie, eine Rolle, in die
sich die Kavallerie mit ihrem ausgewählten Offizierskorps und ihrer vor¬
trefflichen Mannschaft meist überraschend schnell hineinfand.
Sollte im vorliegenden das Wichtigste über die Organisation der drei
Hauptwaffen gesagt sein, wie sie sich um die Jahreswende 1914/15 dar¬
stellte, so wird der folgende Abschnitt über „Heer- und Kampfführung"
Gelegenheit bieten, auch der Entwicklung der anderen Waffen und Dienst¬
zweige innerhalb der möglichen Grenzen zu gedenken.
Heer - und Kampfführung
Die Kriegführung Österreich-Ungarns war im Jahre 1914 in Nord
und Süd durch zwei markante Führerpersönlichkeiten verkörpert: Con¬
rad und Potiorek. Dem ideenreichen, nie um Aushilfen verlegenen Geiste
Conrads war der Bewegungskrieg im weiten galizisch-russischen Raum
besonders gelegen. Immer wieder fand der Offensivgeist dieses Führers
Mittel und Wege, dem übermächtigen, in gewaltigen Massen heranzie¬
henden Feinde das Gesetz des Handelns zu diktieren. Immer wieder wußte
er sich gleich den deutschen Generalen des Ostheeres der Gefahr zu ent¬
ziehen, dem russischen Willen zu unterliegen. Begreiflicherweise verfolgte
er mit wachsender Beklemmung, wie der Krieg allmählich in die Fesseln
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