Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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in den Wald eindringen sollte. Er ist schon mehrfach nahe daran 
gewesen. 
Mit der Zeit sind eine Menge betonierter Unterstände gebaut 
worden. In ihnen Hausen die Befehlsstellen der Artillerie mit allem 
Drum und Dran. Sie liegen versteckt unter niedergebrochenen Asten und 
im Gestrüpp, das noch hier und da wuchert. Ihre Farbe ist schwarz, wie 
denn der ganze Wald schwarz und dunkelbraun geworden ist. 
Am Ostrand gibt es noch aufrechtstehende Bäume. Nach der Mitte 
zu wird es immer schlimmer. Im Westen ist der Wald tot, zerschlagen, 
niedergetrampelt, erwürgt. Der Mannekenhof ist ein schwarzer Trüm- 
merhausen, dessen Keller man zu einem Wohnloch ausbetoniert hat. Die 
Melaeneherberge beherbergt nichts Lebendiges mehr außer den Ratten, 
die in diesem Sommer Orgien feiern mit dem Brot und dem Speck der 
Waldbewohner. 
Vor einem halben Jahr gab es hier stimmungsvolle Waldfried- 
Höfe. Hell schimmerten die Virkenkreuze unter den dunklen Tannen und 
Eichen. In langen Reihen lagen unter ihren kleinen Hügeln die Stür- 
mer von Langemark und Bikschoote, von Nachtegaal und Mangelare, 
die in der ersten Zpernschlacht hier gebettet wurden. Treue Käme- 
radenhand pflegte die Gräber fast drei Jahre lang, und immer stellte 
der Wald bereitwillig seine Tannenzweige, seine Eichenblätter, sein 
Moos und seine verschwiegenen Blumen zur Verfügung. 
Das ist nun alles dahin. Wie soll der Granatenhagel, der nach 
lebendigen Menschenleibern brüllt, auch Achtung haben vor den Toten? 
Viele kleine Bäche sind längst verschwunden. Wo sie in Jahrtausende 
langer Arbeit sich mühsam und geduldig ein schmales, gewundenes Bett 
gegraben, hat eine mächtige Pflugschar mit weniger Geduld ihre Arbeit 
verrichtet. Zerrissen und verstümmelt ist das Bett. Schmutzig gelb 
sammelt das angestaute Wasser sich in gewaltigen Trichtern, verbreitert 
sich zu Morästen, durchtränkt, ohne einen Abfluß zu finden, ganze Flächen 
des niedergehämmerten Waldes. Hölzerne Laufroste überqueren die 
versumpften Streifen, Knüppeldämme find für die Kolonnen und Feld- 
küchen angelegt. Aber die Flieger haben ein wachsames Auge auf jedes 
Menschenwerk in dieser Einöde von Baumstümpfen. Allnächtlich pro- 
fitieren die englischen Batterien von ihren Beobachtungen und mancher 
Todesschrei durchdringt den Wald. So rächt sich der Bach an den 
Menschen, die ihn aus seinem Bett vertrieben. 
Füchse, Rehe und Hasen sind ausgestorben. Ihnen gingen die lär- 
menden Veränderungen des Waldes auf die Nerven. Kein Vogel mehr
	        
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