Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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öffnet seinen Schnabel zum Morgenkonzert. Ab und zu noch läßt sich ein 
armes Karnickel ergreifen und wandert ohne Umschweife ins Koch- 
gefchirr. 
Ja, so hat sich der Wald verändert. Ein schreckliches, schwarz ver- 
brannte?, von Schreikrämpfen verzerrtes, blutiges Greisengesicht hat er 
bekommen. 
* 
Die Menschen, die diesen Wald bewohnen, haben manches mit den 
Ratten gemein, die Heuer eine gute und üppige Zeit genießen. Sie 
Hausen am Tage in ihren Löchern und werden bei Nacht lebendig. 
Wenn sie schon einmal gezwungen sind, bei Tage sich zu zeigen, so 
huschen sie schnell von Loch zu Loch, um sich sofort wieder zu verbergen. 
Sie sind grau und unstet. Oft gehen sie auf Nahrung aus, wenn sie 
der Hunger treibt. Sie untersuchen die Brotbeutel der Gefallenen und 
fahnden auf Konservenbüchsen. Sie machen sich an die frischen Kadaver 
der getöteten Pferde, die es in jeder Nacht hier reichlich gibt, und 
schneiden sich große Stücke heraus. Die ersten kriegen die besten, die 
letzten nehmen mit dem Rest vorlieb. Übrig bleibt nichts als die Ein- 
geweide und das blutige Knochengerüst. Wie die Ratten lauern sie 
instinktiv bei ihrem Handwerk auf jeden Laut und verschwinden hastig 
in ihren Löchern, wenn sie gestört werden. 
Untereinander aber führen sie, die Menschen und die Ratten, nach 
rechter Raubtierart einen erbitterten Krieg. Die Ratten müssen dabei 
die größeren Verluste in Kauf nehmen, aber dafür ist auch der Erfolg 
auf ihrer Seite. Natürlich geht es, wie stets bei Raubtieren, um nichts 
anderes als um die Nahrung. 
Die grauen Biester fressen und benagen alles, was nicht von Eisen 
ist. Sie stehlen das Brot, sie fressen den Speck, sie zernagen die Stiefel 
und die Röcke. Sie zerstückeln das Holz der Bettpritschen in den Unter- 
ständen, sie vertilgen die Seife, sie fressen Landkarten und Feldpost- 
briefe von daheim. Es hat keinen Sinn, die Nahrungsmittel in Schränke 
zu tun. Die Ratten nagen sich durch. Es ist zwecklos, die Wurst an einem 
Faden aufzuhängen. Die Ratten zerbeißen den Faden, oder sie setzen 
mit einem gierigen Sprung auf die Wurst an. 
Sie machen den Menschen die letzten Karnickel streitig, die noch im 
Wald hausen, und hocken schon zu Dutzenden in den Leibern der ge- 
sallenen Pferde, wenn die Menschen mit Messern herankommen, um sich 
ihr Teil zu holen.
	        
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