Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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vom Bellewaardeteich bis nach Geluveld, von Wieltje bis nach Passchen- 
dale. Niemals hat der Tod solche Orgien gefeiert wie in diesem Viertel- 
jähre des Grauens. Nach vielen Millionen zählen die Granaten, nach 
vielen Zehntausenden die Toten, denen die Schlacht nicht einmal ein 
Grab gegönnt. 
Und dennoch schreit diese Schlacht nach einer Fortsetzung, dem 
nahenden Winter zum Trotz. Schon stehen die Batterien bereit, schon 
türmt sich die Munition zu Stapeln, schon rücken die Sturmtrupps» in 
ihre Angriffsräume. Die rasenden Wellen des Trommelfeuers rollen 
vorwärts und rückwärts und stauen sich um das Dorf, das einstmals die 
Perle des flandrischen Landes war. 
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Die Divisionen sind nicht mehr das, was sie früher waren, beim Ver- 
teidiger nicht und beim Angreifer nicht. Das eherne Gesetz der Material- 
schlacht sorgt für Gleichheit im Nervenverbrauch, in der Ermattung, in 
den blutigen Verlusten. Es wäre sonst undenkbar, daß einzelne ener- 
gische Angriffe kleiner Trupps ganze Regimentsabschnitte einreißen, und 
daß umgekehrt vier Maschinengewehre, noch feuerbereit und rücksichts- 
los eingesetzt, die Angriffswellen einer ganzen Division zum Umkehren 
zwingen. 
Man beginnt den Sinn für die Bedeutung dieses verwüsteten, ver- 
schlämmten, elenden Streifens Land im Verhältnis zum Wert des 
menschlichen Lebens zu verlieren, dieses Landes, das keine Ratte frei- 
willig bewohnen möchte und dem Hunderttausende von Menschen seit 
vier Monaten zum Leben und zum Sterben ausgeliefert sind. 
Was nützt es dem Angreifer, durch jeden Stoß fünfhundert Meter 
vorwärts zu gelangen? Er kommt niemals an den jenseitigen Rand 
dieses verfluchten Trichtermeeres. Niemals sieht er einen grünen 
Streifen, ein Haus mit einem Dach, einen Garten, eine Bant. Der Tod 
und die Verwüstung schreiten an jedem Tage mit ihm und lassen sich 
nicht von den Fersen schütteln, während die Wohnorte der Menschen 
und des Lebens immer tiefer hinter ihm versinken. 
Was treibt den Verteidiger, den mit Leichen angefüllten Raum vor 
der Hauptwiderstandslinie unter neuen grausamen Opfern wiederzu- 
erobern? Beim nächstenmal wird er ihn aufs neue verlieren und eben- 
fo viele Menschen werden darin sterben. Bald wird durch die Menge der 
Toten kein Durchkommen mehr sein. Ist es nicht besser, dem Gegner 
diese Stätten des Grauens zu überlassen? 
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