Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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Endlich sieht er, was er erwartet. Mit einem Freudenschrei springt 
er auf einen gefallenen deutschen Infanteristen zu und nimmt ihm das 
Gewehr ab. 
„Damned", flucht der lange Tommy. 
„Kehrt marsch, mein Sohn," sagt Müller III und zeigt mit der 
Hand nach rückwärts, „ein bischen dalli, oder ich vergesse mich und 
schieße Dir ein Loch in den Hosenboden." 
Dann ändern sie die Richtung. Müller III läßt den Langen immer 
vor sich her von Trichter zu Trichter balancieren und folgt ihm mit 
anfeuernden Rufen, wenn es ihm zu langsam geht. 
Das Sperrfeuer knattert jenseits von Schreiboom. Vielleicht greift 
gerade jetzt der Engländer vorn wieder an. 
Unterwegs spürt Musketier Müller III einmal einen leichten Schlag 
gegen seine Brust und es scheint ihm einen Augenblick lang, als sei ihm 
das Atmen erschwert. Aber dann denkt er nicht mehr daran. 
Kreuz und quer pfeifen immer noch die Kugeln der Lewisgewehre. 
Endlich kommt das sonderbare Paar bei Schreiboom an. Der 
Tommy macht ein sehr verdrießliches Gesicht. Müllerin kann es sich 
nicht versagen, seinem Pflegebefohlenen zu zeigen, was er selbst längst 
schon mit gemischten Empfindungen festgestellt hat. Er öffnet das 
Gewehrschloß. Nicht eine einzige Patrone ist darin. 
Der Tommy ballt die Faust. Müller III lacht. 
Unten beim K.T.K. gibt er seine Meldung und seine lebendige 
Beute ab. Der Hauptmann klopft ihm auf die Schulter und sagt 
„Bravo." Dann heftet er seinen Blick auf Müllers Brust und sagt: 
„Aber Menschenskind!" 
In diesem Augenblick erst spürt der Musketier den Schmerz und 
fühlt, wie es ihm vor den Augen zu schwimmen anhebt. Er sieht noch, 
wie zwei Sanitäter sich um ihn bemühen und hört, wie der Bataillons- 
arzt einen glatten Lungsnschuß konstatiert. 
EinHeimatschüßchen, ein Lungenschüßchen, denkt Musketier Müller III, 
und sieht auf einmal das schmucke Dörflein in Rheinhessen vor sich. Man 
muß nur Glück haben, nein, bin ich ein Glückspilz! Ich muß doch ein- 
mal auf dem Kalender nachschauen, ob ich etwa ein Sonntagskind bin 
... die Schmerzen werden heftiger... dann verliert er das Bewußtsein. 
* 
Das Feuer, das eine halbe Stunde später auf Schreiboom liegt, 
muß sogar einen Ohnmächtigen aufwecken. Der Bunker schaukelt wie
	        
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