Volltext: Oberösterreichische Bauerngeschichten. Zweites Bändchen. (Zweites Bändchen / 1858)

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„Eines schönen Herbstmorgens sah ich mich vor 
der Thüre eines ärmlichen Hauses in einem kleinen Dorse 
unferne der bairischen Grenze; ein Hemd, ein leichtes 
Nöckchen, eine zerrissene Jacke, ein buntes, altes Tuch 
um den Kopf gewunden — das war meine Beklei 
dung. Unter dem Arm hatte ich einen kleinen Bündel." — 
Bei diesen Worten zeigte sie auf den Bündel, 
der neben ihr auf dem Stuhle lag und fuhr dann 
fort: „nicht größer, wie dieser — auch nicht mehr 
enthaltend," setzte sie mit einem Seufzer hinzu. „Ein 
grobes Hemdchen, ein Paar alte Strümpfe in eine blaue 
Schürze gewickelt, war meine ganze Habe. Heute ist 
es, wie es damals war." 
Wieder trat eine Pause ein, in der sich die Er 
zählerin eine Thräne aus dem Auge trocknete. — Sie 
fuhr fort: „Eine ältliche Frau stand vor mir und 
sagte mit dürren Worten: Die Kathrei ist nun todt, 
und wir können Dich nicht mehr brauchen; gehe und 
suche Dir einen Dienst. — Ich ging, maschinenmäßig 
ging ich den Weg vor mir, ich konnte nicht denken — 
ich kannte mich ja selber nicht. 
„Die Sonne schien so mild und freundlich, säu 
selnd wiegten sich die Aehren von einem leichten Ost 
hauch bewegt, die Wiesen prangten im herrlichsten 
Grün; ich hob mein Haupt empor, ich schlug die 
Augen auf, — hörbar pochte mein Herz in der Brust — 
ich wußte nicht, wie mir geschah l Jetzt fühlte ich erst, 
daß ich lebe; in diesem einen Augenblicke ward ich 
mir geboren worden. Die ersten Thränen benetzten 
meine Wangen; waren das Thränen der Wonne, der 
Wehmuth, des Schmerzes? — ich weiß es nicht. 
Meine Augen konnten nicht genug sehen! sie konnten 
nirgends haften; nicht auf dem Blau des Himmels,
	        
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