9 „Eines schönen Herbstmorgens sah ich mich vor der Thüre eines ärmlichen Hauses in einem kleinen Dorse unferne der bairischen Grenze; ein Hemd, ein leichtes Nöckchen, eine zerrissene Jacke, ein buntes, altes Tuch um den Kopf gewunden — das war meine Beklei dung. Unter dem Arm hatte ich einen kleinen Bündel." — Bei diesen Worten zeigte sie auf den Bündel, der neben ihr auf dem Stuhle lag und fuhr dann fort: „nicht größer, wie dieser — auch nicht mehr enthaltend," setzte sie mit einem Seufzer hinzu. „Ein grobes Hemdchen, ein Paar alte Strümpfe in eine blaue Schürze gewickelt, war meine ganze Habe. Heute ist es, wie es damals war." Wieder trat eine Pause ein, in der sich die Er zählerin eine Thräne aus dem Auge trocknete. — Sie fuhr fort: „Eine ältliche Frau stand vor mir und sagte mit dürren Worten: Die Kathrei ist nun todt, und wir können Dich nicht mehr brauchen; gehe und suche Dir einen Dienst. — Ich ging, maschinenmäßig ging ich den Weg vor mir, ich konnte nicht denken — ich kannte mich ja selber nicht. „Die Sonne schien so mild und freundlich, säu selnd wiegten sich die Aehren von einem leichten Ost hauch bewegt, die Wiesen prangten im herrlichsten Grün; ich hob mein Haupt empor, ich schlug die Augen auf, — hörbar pochte mein Herz in der Brust — ich wußte nicht, wie mir geschah l Jetzt fühlte ich erst, daß ich lebe; in diesem einen Augenblicke ward ich mir geboren worden. Die ersten Thränen benetzten meine Wangen; waren das Thränen der Wonne, der Wehmuth, des Schmerzes? — ich weiß es nicht. Meine Augen konnten nicht genug sehen! sie konnten nirgends haften; nicht auf dem Blau des Himmels,