Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

12 Kilometer mitmarschiert mit einer Truppe, die den 
selben Tag noch ihr erstes Gefecht bestanden hat; und 
Stolz erfüllte mich, als ich die vorzügliche Ausrüstung, 
die Reservestiefel, die Gulaschkanonen und ihre Bedie 
nung u. a., was einem so auffiel, bei diesem Marsch 
bewundern konnte. 
Denselben Tag nachmittags konnte ich noch meine 
Mutter ins Krankenhaus bringen; da sie nicht sitzen 
konnte, lag sie auf Stroh in einem Kastenwagen; neben 
ihr saß die Krankenschwester; das Gefährt war nicht 
unauffällig und als wir in Neidenburg anlangten, war 
den uns Begegnenden die Ansicht nicht auszureden, daß 
da im Wagen ein verwundeter Russe, sicherlich ein 
Kosak, läge. 
Aber nun wußte ich meine Mutter in Sicherheit, 
denn nach Neidenburg kämen keine Russen, das war, 
nachdem ich mit unseren Truppen mitmarschiert war, meine 
feste Aberzeugung. Des Abends hatte ich noch die Freude 
zu erfahren, daß die Kriegsnot nicht nur Angst schaffe, 
sondern auch den Herrn dort oben anrufen lehrt, so daß 
in mir der Wunsch lebhaft geblieben ist, wenn doch solch 
einfache Kriegsbetstunden gar oft in den Häusern gehal 
ten würden. Wie leicht läßt sich eine kleine Hausandacht 
einrichten, wenn man bloß will; die Hilfsmittel dazu hat 
jede Familie im Gesangbuch und in der Bibel. Am 
nächsten Morgen um 8 Uhr war Andacht in der Schule; 
es ist der 6. August — Verklärung Christi — für unsere 
Masuren ein alter Feiertag. Nun, wir haben an diesem 
Tage den Buß- und Bettag nachgeholt. Nach diesem 
Gottesdienst ftlhr ich nach Bialutten zurück, um viel 
leicht in der Kirche noch Gottesdienst halten zu können 
für Leute aus anderen Dörfern; aber die Kirche war 
leer. Die Geflüchteten begannen nun so ziemlich alle 
wieder zurückzukehren; denn die erste Gefahr schien vor 
über; der Erfolg bei Soldau am 3. August wurde bei 
uns auch überschätzt. 
III. Die erste Russenbekanntschaft. 
Am Abend des 6. August in der Dämmerung ritt's 
an meinem Hause vorbei: an die 70 Russen müssen es 
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