Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

Aufzeichnung des Oberarztes Dr. Kluge. 
Das Gefecht vom 20.Juli 1915 bot ein sehr übersichtliches, ich möchte fast sagen, Manöverbild, wie 
wohl wenige Kameruner solche gesehen haben, ein merkwürdiger Gegensatz zu den Schießereien im Busch 
oder hohen Elefantengras, wo man sich überhaupt nicht oder nur schattenhaft durch den Busch springen sah, 
wenn man sich auf wenige Meter befeuerte. 
Der Weg von Tscheschari nach Bertua läuft hier an einem nach Süden geneigten Äange, dicht oberhalb in 
kurzem Grase ein paar zwei Meter hohe Erhebungen; hier saßen Briefen und ich mit dem Sanitätszuge und 
anfangs mit dem Reservezuge, dem zweiten. Südlich fließt im Grunde ein kleiner Bach mit geringem, schmalem 
und durchbrochenem Galeriebusch. Nach Südosten erweitert sich ein Tal in die quer verlaufende Tuki-Mulde. 
Dort stand auf den jenseitigen Äöhen wie gestern die Artillerie und das französische Gros, nach dorthin ent- 
wickelten sich der erste Zug, der auf weite Entfernung, 1200 bis 1300 Meter, Feuergefecht führte, aber all- 
mählich von links her, wo sich das französische Gros entfaltete, umflügelt wurde. Auch als Briefen später 
hier noch den zweiten Zug einsetzte, konnte dieser der Amflügelung nicht Kalt gebieten. And damit allein 
wäre das Gefecht für uns verloren gewesen, auch wenn nicht inzwischen unser rechter Flügel ganz aus¬ 
einander gewesen wäre. 
Kier hatte Briefen seinen Angriff gemacht, und Ebert, ein schneidiger Kerl, rannte mit seinen Leuten 
unter Avanciersignal und Kurra beim ersten Morgennahen gegen die Franzosen an, die den Bach im Grunde 
schon überschritten hatten. Fast schien der Angriff zu glücken, der Gegner ging über den Bach zurück, aber 
weiter auch nicht. Von unserem Äügel aus sahen wir die Unterstützungen ausschwärmen und die Zurückgehen- 
den aufnehmen, und vor unserem dünnen Schützenkettchen lag jenseits auf zwei- bis dreihundert Meter der 
Feind. Ein Verwundeter nach dem anderen kam auf meinen Verbandplatz, so daß ich nicht mehr viel Zeit 
hatte, auszuschauen. Sergeant Schulze baute sein Maschinengewehr auf, ein paar Gurte, dann lag er mit 
einem Brustschuß an der Erde. Ebert selbst sprang ans Maschinengewehr, nach wenigen Schüssen überkugelte 
auch er sich mit dem Maschinengewehr. Er selber war heil, aber die Kugel hatte aus dem Maschinengewehr 
einen Teil der Gleitbahn herausgerissen. Schulze wurde verständigerweise gleich auf dem Bertua-Wege 
fortgetragen und Ebert mit seinen paar Leuten nun schrittweise zurückgedrängt. Er meldete Patronenmangel; 
ein Soldat und zwei Maschinengewehrträger brachten ihm Ersatz: zwei davon blieben tot am Äange liegen, 
einer kam mit zerschmettertem Anterschenkel zurück. 
Mein Verbandplatz — eine Zeltbahn, darauf die Flasche mit Jodtinktur und der Kasten des Steri- 
lisierapparates mit Verbandzeug, Schere und Pinzette — war auch kein angenehmer Aufenthalt mehr; 
ich war inzwischen der Ehre gewürdigt worden, als Artillerieziel zu dienen. Die Franzosen hatten wohl 
v. Briesen und mich auf dem Äügelchen, auch den Anterstützungszug dahinter, heraufkommen sehen. Jeden- 
falls sausten mir plötzlich Schrapnells rechts und links um die Ohren. Einer meiner Bedeckungssoldaten 
erhielt eine Schrapnellkugel in den Arm. Da schickte ich schnell die marschfähigen Verwundeten fort, packte 
die übrigen auf die paar nicht ausgerissenen Träger und setzte den ganzen Transport Richtung Vertu« in 
Bewegung. Mit dem nötigsten Verbandzeuge legte ich mich dicht daneben ins Gras. Bald darauf kam 
v. Briesen wieder, er war am linken Flügel gewesen. Zum dritten Male war ihm dabei seine Ordonnanz 
von der Seite geschossen. Jetzt sah Briesen, daß unser rechter Flügel ganz abgedrängt und ohne Verbindung 
mit uns war. 
„Also Munition knapp, auf beiden Seiten umfaßt und keine Reserven mehr" sagte er, „da hilft nichts 
als abbauen". Die beiden linken Züge wurden zurückgeholt, und wir versuchten, auf der Vertua-Straße 
abzumarschieren. Aber auf die hatten sich inzwischen die französischen Geschütze so gut eingeschossen, daß 
eine Granate nach der anderen genau in den Weg schlug und wir eine längere Strecke nördlich durchs Gras 
stampfen mußten. 
Ämter der nächsten 5>öhe holten wir den Rest des dritten Zuges mit dem verwundeten Schulze und dem 
kaputen Maschinengewehr ein, machten eine kleine Rast und marschierten weiter bis zu dem halbwegs Vertua 
gelegenen Rsingi-Äbergang. Kier fanden wir die Bagage (1. Staffel) und die Verstärkung von der Etappen- 
kompagnie. Einen Augenblick hatte Briesen die Idee, mit ihr wieder vorzugehen, ließ es aber glücklicherweise 
sein und schickte nur einen Teil von ihnen als „Klebe"- und Sicherungspatrouille an den Feind. .Sinter 
dem breiten Galeriewald des Rsingi wurde in den paar Rasthütten einquartiert und sofort mit dem Lagerbau 
begonnen.
	        
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