Volltext: Italien in sechzig Tagen

38. Die Inseln Ischia und Procida, 
819 
der grünen Umkleidung der Insel 
breit kegelförmig aufragender dunk¬ 
ler Vulkan. Von Casamicciola eiue 
Strecke auf dem Weg nach Ischia, 
dann r. den Fussweg hinan, unten 
Weingärten, dann Kastanienwald 
und Weiden; auf die Myrtengebüsche 
und hohen Erica-Sträucher folgt zu¬ 
letzt nur der nackte Fels, und der 
Esel klettert am Rand tiefer Ab¬ 
gründe hin. Die Aussicht entfaltet 
sich immer herrlicher. Auf der 
Höhe zieht in Spiralen an der Süd¬ 
seite des Bergs der Pfad hinan 
zur Einsiedelei S. Niccola (759 m.). 
Ein langer, durch den Felsen ge¬ 
bohrter Gang führt von der Südseite 
an die nördliche, sonst unzugäng¬ 
liche Wand und hier auf schwin¬ 
delnden Stufen zum Gipfel. Hier 
geniesst man auf der nur 1 m. brei¬ 
ten Felsspitze die herrlichste * Aus¬ 
sicht anf einen Umkreis von mehr 
als 80 Seemeilen, auf das Meer, die 
Golfe von Neapel und Bajä und 
über den Vesuv hin zu den Abruzzen, 
nordwestwärts über Capri bis zum 
Capo Circello. Die Südseite des 
Epomeo,der einen halbkreisförmigen, 
nach SO. geöffneten Wall bildet, 
ist weit höher, dort sind von der 
Nordseite des längst erloschenen 
Kraters einige Reste geblieben. 
Den Rückweg nehme man nach 
(2*/2 St.) Ischia. 
Borgo d’IscMa (Locanda nobile), 
an der Ostküste, ist die Hauptstadt 
(6500 Einw.) der Insel, malerisch 
am Strand hingelagert, vom Kastell 
überragt, das auf einem 180 m. hohen 
Trachytkegel aus dem Meer aufsteigt 
und nur durch einen schmalen 
Damm mit der Insel verbunden ist. 
— Der Weg von Ischia nach Casa¬ 
micciola führt über den Lavastrom 
l’Arso, der erst 1301 plötzlich aus 
einer Spalte hervorbrach und bis 
zum Meer hin in voller Breite bei 
Punta Molina zu übersehen ist; 
Va St. Bagno d'Ischia mit dem sal¬ 
zigen Lago del Bagno, einem aus¬ 
gefüllten Trachytkrater, jetzt ein 
Scbutzhafen; 1. eine königl. Villa 
und ein Bade-Etablissement, dann 
am Montagnone, Monte Rotaro und 
Monte Tabor (alle drei mit Kratern) 
vorbei nach Monte und mit einer 
Kurve nach r. zu dem hoch gelegenen 
Casamicciola. Nordwestl. von Casa¬ 
micciola (1,75 Kilom.) Lacco, und 
nordwestl. von diesem S. Restituta mit 
Heilquelle. Von Lacco südwestl. in 
1 St. über den Lavastrom des Monte 
Marecocco nach Forio, einem grossen 
Flecken, mit Palmen und Pracht¬ 
sicht auf das Meer, das hier oft in 
furchtbaren Nordweststürmen wü- 
tliet. Die Einwohner von Ischia sind 
ein schöner Schlag, doch sehr dun¬ 
kel gefärbt, von anderer Gesichts¬ 
bildung als die Neapolitaner, stark 
und flink, mit sprechenden, oft edlen 
Zügen, einfach, sehr freundlich 
und gutmüthig, wenn auch oft laut 
aufbrausend; von Räubereien hört 
man kaum je etwas. Die Mundart 
ist eigenthümlich, die alte Tracht 
der (sehr brünetten) Frauen ein 
farbiger Scialleto, der hinten vom 
Kopf niederfällt, ein Corpetto von 
rother Seide mit Goldfransen, eine 
Weste von weisser Farbe; das den 
Hals umschliessende, vorn zugebun¬ 
dene Hemd ist an den Aermeln fein 
gefältelt, das Mieder geht kaum bis 
zur halben Brust, die Röcke sind 
kurz und faltenreich. Manche trägt 
noch ein mit Gold besetztes Mütz- 
chen auf dem Kopf, von dem, wenn 
sie zur Messe geht, ein weisser 
Schleier herabfällt. Die Frauen von 
Forio tragen noch häufig den Scial¬ 
leto in der Form eines graziösen 
Turbans. Sie sind berühmte Taran¬ 
tellatänzerinnen (ein Rest der grie- 
chischenBakclianalien der herrlichen 
Weingegend), und von hier soll das 
bekannte Tanzlied »Figliulo cu chi 
Thai, cu chi l’hai?« stammen. Die 
Landhäuser, in Weinbergen und 
Gärten versteckt, erinnern mit ihren 
kleinen, auf den Hof geöffneten Stu¬ 
ben und ihrer Bestimmung des Hofs 
für den Verkehr an die antike Vor¬ 
zeit. Die Insel hiess bei den Griechen 
Pithecusa, bei den Römern Aenaria (an¬ 
geblich von Aeneas), bei den Dichtern 
lnarime (so Virgil Aen. IX, 719). 
Die ganze Insel (8 St. in Umfang), 
die grösste der bei Neapel liegen^ 
den, ist vulkanischen Ursprungs und 
1 überreich an Mineralquellen. 
52*
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.