Volltext: 57. Heft 1914/15 (57. Heft 1914/15)

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Die Stunde der Großkampfflugzeuge. 
Von Friedrich Otto, Berlin. 
Ein spannender Kampf zwischen einem deutschen 
und einem französischen Kampfflugzeug spielte sich kürz¬ 
lich im Westen ab. Ein Feldbrief berichtet: „Energisch 
greift unser Kampfflugzeug das feindliche an. Beide 
Flugzeuge gehen förmlich aufeinander los. Das feind¬ 
liche wendet, um die günstige Breitseite des Gegners 
zu gewinnen. Eine mächtige Rauchwolke bezeichnet die 
Bahn des feindlichen Kampfflugzeuges. Plötzlich ein 
langer Feuerstrahl meiner Rakete. Der feindliche Flieger 
scheint zu stürzen. Dann kippt er. Ein riesiger Feuer¬ 
ball hüllt den fallenden Feind ein. Dann zerteilt sich 
Am Vallonabwehrgeschüh. 
der brennende Apparat. Ein Flügel bleibt in der Luft. 
Verschiedene schwarze Gegenstände stürzen blitzschnell 
aus der sinkenden Feuermasse und schließlich saust ein 
Flieger aus der Feuerlohe. Er und sein Beobachter 
waren sofort tot." — Das ist einer der vielen Kämpfe, 
wie ihn die Flugzeuge zum atemlosen Entsetzen der Zu¬ 
schauer ausfechten. Einen Kampf zwischen drei deutschen 
gewöhnlichen Doppeldeckern und einem russischen Si- 
korskiflugzeug schilderten wir bereits in Teil II, Seite 346 ff. 
Schon seit Juni 1915 erwähnen die Berichte des 
Großen Hauptquartiers auch deutsche, englische und fran¬ 
zösische Kampfflugzeuge, ohne daß der Öffentlichkeit bisher 
von der Militärbehörde verraten wurde, wie unsre 
Kampfflugzeuge im einzelnen beschaffen seien. Der be¬ 
rühmte englische „Augenzeuge" schildert sie als sehr ge¬ 
fährliche doppelmotorige große Doppeldecker, gepanzert, 
schnellsteigend, bewaffnet, kurz als höchst mordbereite 
Maschinenvögel. Während ein gewöhnliches Flugzeug 
8—12 Meter Haftet, haben die neuen Kampfdoppel¬ 
decker Flügelspannweiten bis zu 20 Metern. Die Helden¬ 
taten unsrer Kampfflugzeuge werden zurzeit in den 
Berichten des Hauptquartiers gewürdigt, denn im Westen 
ist jetzt der Luftkampf bis zur Weißglut gediehen. An 
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einem einzigen Oktobertage fanden allein elf Luftgefechte 
über der kurzen englischen Front statt. Das deutsche 
Kampfflugzeug ist daher bei unsren Truppen sehr volks¬ 
tümlich geworden. Es führt den Kosenamen „Fritz", und 
wo es erscheint, bleibt es fast immer Sieger. Feindliche 
Geschwaderflugzeuge stieben meist wie Krähenschwärme 
auseinander, wenn der fliegende Fritz unter sie gerät. 
Gegen die modernen Kampfflugzeuge wirkt Infanterie- 
feuer fast gar nicht, da die gewöhnlichen Geschosse große 
Höhe nicht erreichen. Höchstens besondere Abwehr¬ 
kanonen werden den fliegenden Riesen gefährlich. 
In Frankreich nennt man die neuen eigenen Kampf¬ 
flugzeuge avions-canons, Kanonen- oder Geschützflug- 
zeuge. Sie sind doppelmotorig und haben außer dem 
üblichen Maschinengewehr 
noch eine Schnellfeuer» 
Hotchkiß - Kanone über 
dem oberen Tragdeck. Die 
kleineren Schlachtkreuzer 
heißen bei den Franzosen 
Flugzeugjäger, Zerstörer 
und Schlachtkreuzer. 
In England ist man 
jetzt eifrigst bemüht, 
Riesenflugzeuge zu bauen 
oder sich in den Ver¬ 
einigten Staaten tiott 
Nordamerika bauen zu 
lassen. Das neuste dieser 
Riesenflugzeuge soll ein 
Dreidecker sein, der den 
Berichten aus England 
zufolge ein wahrer Luft¬ 
schrecken zu werden ver¬ 
spricht. Statt zweier Trag¬ 
flächen soll der englische 
Luftriese drei haben. Na¬ 
türlich sind die Motoren, 
die Gondeln und alle 
vitalen Teile des Appa¬ 
rates gepanzert. Uber das 
Flugzeug werden vier 
Maschinengewehre ver¬ 
teilt, und ein kleiner Panzerturm trägt in seiner dreh¬ 
baren Kuppel eine Schnellfeuerkanone. Viermal zwei 
Motoren, also acht, von denen je zwei eine Schraube 
treiben, werden das Ungeheuer durch die Lüfte reißen. 
Unterhalb des ganzen Flugzeuges soll sich eine umgekehrt 
dachförmige Panzerung befinden, die dem Flugzeuge 
höchstwahrscheinlich mehr schaden als nützen dürfte. Die 
Motoren sollen auch die Steuerungen betätigen, da 
Menschenhand entweder gar nicht oder nicht schnell genug 
die Steuer zu bewegen vermag. Um die Wendungen 
des fliegenden Dreadnoughts zu beschleunigen, werden 
die vier Propeller beweglich sein und durch ihre Lagen¬ 
änderung die schnellste Manövrierfähigkeit ermöglichen. 
Die früheren Flugzeuge sollen nur noch Aufklärungs¬ 
zwecken dienen, während die fliegenden Großflugzeuge 
in erster Linie zum Angriff auf feindliche Schützengräben 
verwendet werden sollen. Falls die Sache nicht schon 
vorher schief ausläuft, dürften die Uberdreadnoughts der 
Lüfte wohl an der Front von ihrem Geschick erreicht 
werden. Anscheinend hat England Typen dieser selben 
Dreideckerform auch in Amerika bestellt, die wie fliegende 
Schiffe aussehen werden und ans eigener Kraft über den 
Atlantischen Ozean fliegen sollen. Dem Fachmann ist 
Pliot. P. Wagner, Berlin.
	        
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