Volltext: Der Sammler 8. Jahrg. 1912 (1912)

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Herausgeber: Der Museal-Verein Schärding. — Verantwortlicher Redakteur: Joh. Vees, Schärding. 
Druck I. Vees, Schärding. 
Kam die Nacht herauf und schiffte die 
Mondsichel am Sternenhimmel wurde es in den 
Tiefen des Wassers immer Heller. Und je 
länger ich hinein sah in die spiegelglatte Fläche, 
desto bewegter wurde es da unten. Da wuchs 
ein schlanker, spitzer Minaret empor, marmor 
weiß und zart wie aus Bein geschnitzt, dort 
wölbte sich eine blaßblaue Kuppel auf zierlichen 
verschnörkelten Säulen ruhend und weiter unten, 
wo das Wasser vom vorbeirauschenden Jnnstrom 
mitgerissen wurde und die Wellen sich kräu 
selten, türmte sich ein plumper Klosterbau mit 
runden Türmen bis zum Wirbelspiel empor. 
Zwischendurch flimmerten unzählige un 
ruhige Silberpünktchen, die ewigen Sterne des 
Sommernachthimmels. 
Oft hatte ich diese Märchenstadt gesehen, 
hatte hinuntergeschaut in die milchweißen Gassen 
und die goldroten Plätze und nie daran gedacht, 
daß es Täuschung sei. 
Beine Anblick dieses Feenreiches dachte ich 
nicht an wahr und falsch, an .Wirklichkeit 
und Trug. 
Für mich war es die „Pramstadt". 
Da sagte mir einmal ein Herr mit einer 
großen Hornbrille, dies seien „Lichtreflexe" oder 
Wolken, die sich widerspiegeln. 
Und ich sah keine Stadt mehr! 
Solche Märchen-Städte-Demolierer haben 
wir viele. Erfreue dich an einer Blume, gleich 
kommt ein botanisierender Professor und zerpflückt 
sie, damit er dir die Staubgefäße zeigen kann. 
Der Ewigkeitsgesang Homers, die unerreichte 
Sprache Goethes in seinen lyrischen Wunder 
werken wird aufgelöst in der schnarrend beizen 
den Stimme des Literaturbonzen, der dir den 
Satzbau zerfetzt und zerschlissen ym die Ohren 
schlägt. 
Dem also will es das kniffliche Gehirn 
des protzenhaften Alleswissers und der materielle 
Automatengeist des neuzeitlichen Geldverdieners: 
Der Stimmungsgehalt muß sich in Prozenten 
ausdrücken lassen! 
Winkelmaß und Maßleine her I Die Straßen 
müssen gerade sein. Wir müssen immer wissen 
woran wir sind. Was ist das Leben? Eine 
Versicherungspolizze und ein Verbrennungs 
prozeß ! Was ist ein Märchen? Eine Täu 
schung ! Was ist Kunst? Ein Ueberflüssiges I 
Und was ist's mit den mühsam erhaltenen, 
Herz und Sinn erfreuenden Kleinodien längst 
verrauschter Kulturepochen? 
Altes Gerümpel, Ramschware, Bodenkram, 
Summa Summarum 4 Kronen wert — abzüg 
lich der Transportspesen! 
Also beschaffen ist das Denken Vieler. 
Wenn ich heute diesen bebrillten Herrn 
vor mir hätte, der mir mit seinen Lichtreflexen 
meine Pramstadt vernichtete, ich würde Gleiches 
mit Gleichem vergelten. Er bekäme von mir 
ein schlagendes Argument, daß er wohl keine 
Märchenstadt, jedenfalls aber Lichtreflexe vor 
seinen blinden Augen flimmern sehen würde. 
Und den vielen anderen, die für alle Be 
strebungen, die nicht im Kassebuche Platz haben, 
Haß und Verachtung aufbringen, sei es gesagt: 
In einem Glaskasten des Schärdinger Museums 
sind winzig kleine Hellerbüchschen aufbewahrt. 
Aber ihr Inhalt ist reicher und größer als alles 
Deuteln und kritische Meinen von Menschen, 
deren Verstand eine Zisfernreihe, deren Herz ein 
Geldsack ist! 
Carl G r u b e r, Wien. 
6ine freundliche CUidmung für das Museum 
aus Obernberg. 
Folgendes Schreiben kam an das Museum: 
Obernberg. 
Verehrliche Leitung des Städt. Museums 
Schärdings. 
Anläßlich des Schärdinger Turnfestes hatte 
ich Gelegenheit, das sehr hübsche Museum 
Ihrer Stadt besichtigen zu können. Dabei ge 
wahrte ich auch einige alte Bilder bekannter 
alter Schärdinger Bürgersfamilien, hiebei er 
innerte ich mich eines alten Bildes im Hause 
unseres Vaters. Es ist dies das Bild des 
ehemaligen Weinhändlers und Wirtes Gol- 
dinger, jetzt Pfliegl. Wie das Bild in unserem 
Besitze kam, weiß ich nicht. Mein Vater über 
läßt mir das Bild für Ihr Museum siehr gerne 
und ist das Bild 46 / 57 ein schönes Oelbild mit 
breiten Goldrahmen 56 / 70 groß. Es freut mich, 
Ihre so schöne Sammlung um 1 Stück be 
reichern zu können und bitte um Nachricht, 
ob ich das Bild mit nächsten Boten oder per 
Post senden soll. 
Inzwischen empfehle mich 
Hochachtend 
tüta* Pfliegl ftttt 
Kaufmann. 
Das Porträt Goldingers ist fein ausge 
führt und scheint, verglichen mit dem im Fa 
milienbesitze Pfliegl Schärding befindlichen Bilde, 
sehr wohl getroffen zu sein. M. Goldinger ist 
in unserer Stadtgeschichte kein unbekannter, zur 
Zeit des letzten Franzosenkrieges und in den 
darauffolgenden Jahren begegnen wir dem Namen 
Goldingers wiederholt. 
Sein Bild findet daher in unserem Stadt 
museum seinen richtigen Platz. 
Abonniert das 
„Schärdinger Wochenblatt!"
	        
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