Volltext: Der Sammler 6. Jahrg. 1910 (1910)

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tischer. Schrift wird auf der nächsten Seite der 
mutigen Verteidiger der Stadt Wien gegen die 
Türken gedacht. 
Der nächste Mitschüler des früheren Stadt 
bürgermeisters war Franz Raver Bruner, der ein 
fache, schlichte Glasermeister, der für seine Vater 
stadt Gold im Herzen trug. Mit eigenartigen, 
steilschriftähnlichen Buchstaben schreibt er: „Religion 
ist nichts anderes, als die Erkenntnis der vortreff 
lichen Wahrheiten". Auch einen Glückwunschvers 
finden wir aus dessen Feder der lautet: 
Zum reinsten Wunsch verbindet 
Mich Lieb und Dankbarkeit, 
Und was mein Herz empfindet 
Sei Ihnen stets geweiht. 
Nun wird das Gefühl der Dankbarkeit noch 
die spätesten Geschlechter der Stadt Schärding 
mit dem Gedächtnisse an den Schreiber dieses 
Verses verbinden. 
Ein ganz prächtiges weil wahres und für 
jene Zeit zutreffendes Schreibestück ist dem Schüler 
Franz Wohlschlager zugewiesen worden, der mit 
ganz guter Schrift sagt: „Der Bürger und der 
Bauer gehen an Sonntagen in die Kirche, um das 
Wort Gottes anzuhören. Wie wollen sie nun die 
Kanzelreden des Herrn Pfarrers verstehen, wenn 
sie im Denken und Sprechen nicht die nötige Ge 
wandtheit besitzen? Daher kommt es ohne 
Zweifel, daß viele Zuhörer während der Predigt 
vor langer Weile einschlafen oder wohl gar den 
Worten des Religionslehrers einen falschen Sinn 
unterlegen und also in den wichtigen Religions 
lehren zeitlebens unwissend und irrig bleiben". 
In gleich drastischer Weise wird auf dem 
nächsten Blatte dem Bürger und dem Bauer zu 
Gemüte geführt, was sie dem Richter für eine Be 
lästigung machen, wenn sie ungebildet, d. h. des 
Lesens und Schreibens nicht kundig sind. 
Wir begegnen in diesem Hefte durchaus 
schönen, sorgfältig geschriebenen Probeschriften und 
wollen noch die Namen der Schüler anmerken, 
da die Betrachtung des Stoffes, den die Schön 
schriften behandeln, der gewiß des Interesses nicht 
entbehrt, doch zu weitläufig werden würde. 
Auf Wahlschlager folgen: Franz Segl, 
Johann Gmeiner, nachmaliger Schmiedmeister, 
Paul Obernhuber, Alois Gmeiner, Leopold Hepp, 
Johann Pichlmeier, die Gebrüder Albert und Lud 
wig Rekirsch. Der Familie Rekirsch entstammt 
nach Lamprecht ein ausgezeichneter Musiker, der 
als Konzertmeister hohen Ruf genossen hat. Ferner 
Franz Kobler, Anton Lechner, Leander Weich, 
Josef Furtinger aus Neuhaus. (Damals war in 
Neuhaus keine Schule, die Kinder gingen nach 
Schärding zur Schule.) 
Ein hübsches Gedicht, das mit den Worten 
beginnt: „Vom Dank gerührt komm ich Dir heut' 
entgegen", schreibt Schüler Josef Wagenthaler, 
der als k. k. Notar und Sparkassedirektor in 
Schärding gestorben ist. 
Josef Müller, später Hutmacher in Schär 
ding, ist der nächstfolgende und der einzige Schüler 
jenes Jahrganges, der heute noch am Leben ist, 
und in Schärding domiziliert. Wir finden ferners 
die Namen Josef Wiesner, Michael Stockingec. 
Anton Kobler schreibt ein Majestätsgesuch, in 
dem er um eine Anstellung bittet. Sodann folgen 
Rupert Glück, Max Weisbrod, Max Jahrstorfer, 
Anton Mächtlinger und Karl Kordulez. 
Damit ist die Reihe der Schüler erschöpft. 
In der nächsten Abteilung prangt an erster 
Stelle eine ausgezeichnete Lateinschrift von Maria 
Wieninger, verstorbene Frau Hasl-Peham. Der 
Inhalt der Schönschrift ist ein Lob auf Kaiser 
Josef II. 
Das nächste Blatt gehört der Schülerin 
Walburga Burger, deutsche Kurrentschrift wie ge 
stochen, sodann von derselben Schülerin Latein 
schrift in gleich guter Ausführung. Der Text be 
handelt den Satz: „Das Schauspiel, Freunde, 
gleicht dem Leben". 
Es folgt Aloisia Hochegger mit ebenfalls 
zwei Blättern, und damit ist das schöne Heft, das 
so manche Erinnerung wachruft, zu Ende. 
Oie älteste Teuerlöschoränung der Stadt 
Scbärding. 
Im „Sammler" Nr. 11 des vergangenen 
Jahres haben wir die städtische Feuerlöschordnung 
vom Jahre 1826 einer eingehenden Betrachtung 
unterzogen, wohl dabei denkend, es sei dies die 
älteste diesbezügliche Verordnung, welche erhalten 
blieb. 
Nunmehr wird aber unsere Aufmerksamkeit 
neuerlich auf diesen Gegenstand gelenkt und zwar 
in erhöhtem Maße. Es hat sich nämlich eine noch 
um 102 Jahre ältere ebenfalls gedruckte Feuer 
löschordnung für die Stadt Schärding vorgefun 
den, die es ihres ehrwürdigen Alters halber (ge 
druckt 1724) wohl wert ist, daß wir uns damit 
genauer beschäftigen. 
Diese Feuerlöschordnung bietet in mancher 
Beziehung auch lokalgeschichtlich Interessantes. 
Der Titel lautet: Neu verfaßte und verbesserte 
Feuerordnung der Churfürstlich. Gränitz Stadt 
Schärding Unter Lands Bayern und anno 
MDOOXXIV. 
Das Blatt trägt das Stadtwappen in ein 
facher Weise aufgedruckt; selbes ist mit einem Lor 
beerkranze umgeben. Auf der Innenseite des 
Titelblattes ist die Beschreibung des Stadtbrandes 
1724, welcher Brand sodann die Veranlassung zur 
Vorschreibung der neuen Feuerordnung wurde. 
Da aus dieser Quelle über den erwähnten Brand 
wohl kaum jemals geschöpft wurde, so mag die 
Darstellung hierüber im Wortlaute wiedergegeben 
werden: 
„Welche nach der am 18. Juni ermelt 
1724sten Jahrs (als am Sontag in der Corporis
	        
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