Volltext: Das Weltkriegsende

Friedensoffensive Haeften und Kühlmanns Entlassung 
79 
Brief des Vizekanzlers v. Payer an den Reichskanzler 
Grafen v. Hertling 
Berlin, 6. Juli 1918. 
„Euer Exzellenz! 
Da ich höre, daß über meine Stellung in der Frage eines 
etwaigen Rücktritts des Herrn Staatssekretärs v. Kühlmann ver¬ 
schiedene Auffassungen bestehen, gestatte ich mir, dieselbe kurz zu 
präzisieren. 
In erster Linie halte ich es nach wie vor für notwendig fest¬ 
zustellen, ob Herr v. Kühlmann und die O.H.L. in Zukunft mit 
einander weiter arbeiten können und wollen. Der jetzige Zustand, 
daß sie nicht miteinander an einem Tisch sitzen, ist selbstverständlich 
auf die Dauer unhaltbar. Ich habe mir deshalb seiner Zeit die 
Bitte an Euer Exzellenz erlaubt, bei Sr. Majestät vorstellig zu 
werden, daß S. M. versuchen möge, dieses Zusammenarbeiten zu 
ermöglichen. 
Ist dasselbe nicht zu ermöglichen, so bleibt nichts anderes 
übrig, als Herrn v. Kühlmann zum Rücktritt zu veranlassen. Sein 
Abgang hätte aber, ich darf das nicht verschweigen, sehr uner¬ 
wünschte Folgen. Ich hoffte, die Sozialdemokratie lasse sich be¬ 
lehren, daß ein Wechsel in der Person nicht notwendig einen 
Wechsel im System bedeute. Sie versteift sich aber, wie ihr bru¬ 
taler Vorstoß am Mittwoch beweist, darauf, Kühlmanns Abgang 
ohne Rücksicht auf den etwaigen Nachfolger als einen Sieg der 
Alldeutschen und als den Beweis dafür anzusehen, daß die der¬ 
zeitige Regierung unter dem Eindruck einer wilden Agitation 
macht- und kraftlos vor den Alldeutschen und der O.H.L. kapitu¬ 
liert habe und kein Vertrauen mehr verdiene. 
Dann muß sie aber, wozu sie ohnedies geneigt ist, formell in 
die rücksichtslose Opposition gehen, denn auf die Dauer kann sie so 
mit der Regierung nicht zusammenarbeiten und die Regierung 
nicht mit ihr. Dann tritt ein, was zu verhüten wir während des 
ganzen Krieges bemüht waren. Es existiert dann aber auch keine 
Mehrheit mehr, auf die sich die Regierung einigermaßen stützen 
könnte, überhaupt keine Mehrheit mehr, und ich kann mir weder 
vorstellen, wie eine von rechts wie links angegriffene Regierung 
sich halten könnte, noch wie ihre Nachfolgerin aussehen sollte. Sie 
müßte wohl der äußersten Rechten oder der äußersten Linken ent¬ 
nommen werden. 
Käme noch dazu, daß der Nachfolger v. Kühlmanns eine 
andere Politik treiben würde, so würden auch die Fortschrittliche 
Volkspartei und die weit überwiegende Mehrheit des Zentrums 
der Regierung den Dienst kündigen. Andernfalls ließen wohl sie
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.