Volltext: Das Weltkriegsende

66 Die rein militärische oberste Kriegsleitung 
eine Auffassung, die Hindenburg in seinem Buche „Aus meinem 
Leben" fast wörtlich übernommen hat, „durch großzügige, eng zu¬ 
sammenhängende Teilschläge das feindliche Gebäude derart zu er¬ 
schüttern, daß es gelegentlich doch einmal zusammenbricht". In einer 
Denkschrift vom 21. Mai über den „Blücher"- und „Hagen"-Angriff 
erklärte Wetzell, der großzügig angelegte „Hagen"-Angriff werde mit 
Rücksicht auf unsere Ersatzlage bis weit in den Herbst hinein der 
letzte entscheidende Schlag sein, den wir führen könnten. Deshalb 
müßten für „Hagen" alle Vorbereitungen zu einem großen Siege 
unbedingt herbeigeführt werden. „Läuft sich der Angriff schon früh¬ 
zeitig fest, so bedeutet dies einen Fehlschlag, den unsere Lage nicht 
mehr verträgt." Die Folgen einer Menschenmaterialschlacht könnten 
für die deutsche Armee unübersehbar werden. 
Schließlich kam es auf die Maioffensive zwischen Soissons und 
Reims hinaus, von der man hoffte, sie würde einen solchen Kräfte¬ 
verbrauch des Feindes herbeiführen, daß sodann die Fortsetzung des 
entscheidenden Angriffs in Flandern möglich würde. Leider war es 
hierbei nötig, den Angriff in zwei Abschnitte zu zerlegen. 
In glänzendem Schwünge erstürmte die Armee des deutschen 
Kronprinzen am zweiten Tage der dritten Offensive, am 
27. Mai, den Chemin des Dames. Der Geländegewinn der deutschen 
Truppen betrug 20 km an einem einzigen Tage. Die O.H.L. er¬ 
weiterte daher am 29. Mai ihre Angriffsziele und suchte schließlich 
auch Reims durch beiderseitige Umklammerung zu Fall zu bringen. 
Am 30. und 31. Mai wurde zwar die Marne erreicht, gegen Reims 
aber kam man nicht vorwärts und konnte auch den Wald von Vil- 
lers-Cotterets nicht nehmen. Am 5. Juni wurde es nötig, das Vor¬ 
gehen einzustellen, nachdem in vier Tagen ein Einbruch von 60 km 
Tiefe in die feindliche Front erfolgt war. Auch der im Anschluß an 
die Offensive auf den Chemin des Dames unternommene Angriff 
auf Compiögne am 9. Juni scheiterte und mußte am 11. unter der 
Einwirkung eines französischen Gegenstoßes abgebrochen werden. 
Immerhin wurden in der Schlacht bei Royon weitere 13 000 Gefan¬ 
gene gemacht. Man war nur noch drei Tagemärsche von Paris ent¬ 
fernt. Die ganze Front Montdidier—Reims wurde nunmehr auf 
Abwehr eingestellt, und Mitte Juni trat eine verhältnismäßige 
Ruhe ein. 
Bedenklich war trotz der wiederum großen taktischen Erfolge 
der dritten Offensive und der erheblichen Beute an Gefangenen und 
Geschützen — über 50 000 Gefangene und 600 Geschütze — die neue 
Linienführung. Ein weit bis zur Marne vorspringender Bogen war 
entstanden, der noch ungünstiger war als der bei Montd'dier nach 
der ersten Offensive. Die deutschen Stellungen bei Villers-Cotterets 
und Reims waren stark gefährdet. Man konnte daher in den ge¬
	        
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