Die zweite deutsche Offensive
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Verbindungen, sondern wir vermochten von dort aus mit unseren
schwersten Geschützen sogar einen Teil von Britanniens Südküste
unter Feuer zu nehmen."
Recht bedenklich war die große Pause, die man jetzt schon im¬
mer wieder in die Kriegshandlungen einfügen mußte. Die Englän¬
der erhielten dadurch Zeit, sich von ihrer schweren ersten Niederlage
in der Großen Schlacht in Frankreich zu erholen und die Verluste
aufzufüllen. Vor allem aber rückte der Zeitpunkt für das Erscheinen
der amerikanischen Truppen drohend näher.
Politisches Zwischenspiel.
War die Lage Deutschlands für die Erreichung eines günstigen
Friedens durch die beiden Offensiven günstiger geworden? Diese
Frage muß verneint werden. Freilich hatten die großen Angriffs¬
operationen der Deutschen gewaltige Erfolge gezeitigt. Andrerseits
aber war der schwere Druck der Ungewißheit, was von deutscher
Seite geschehen würde, von unseren Weltkriegsgegnern genommen.
Sie hatten schwere Verluste erlitten, den ihnen zugedachten Durch¬
bruch aber doch immer noch zu verhindern gewußt. Wenn man diese
Tatsache richtig würdigte, konnte man auf deutscher Seite nicht des
Glaubens leben, der Erreichung eines günstigen Friedens näher¬
gekommen zu sein.
Es schien an der Zeit, die geistige Front der Gegenseite nach
Friedensmöglichkeiten abzutasten. Dieser schwierigen, aber in ihrer
Bedeutung kaum zu überschätzenden Aufgabe unterzog sich Oberst
v. Haeften, der seit Sommer 1916 die militärische Stelle des Aus¬
wärtigen Amtes leitete und infolge seiner geistigen und menschlichen
Eigenschaften in höchstem Maße das Vertrauen des Generals Luden¬
dorff besaß.
Schon vor Beginn der Offensive 1918 war Haeften zur Be¬
sprechung von Propagandafragen im Auslande gewesen und hatte
dort mit einer Persönlichkeit gesprochen, die über die Ziele und Ab¬
sichten der englischen und amerikanischen amtlichen Stellen unter¬
richtet war. Rach seiner Rückkehr berichtete Oberst v. Haeften dem
General Ludendorff über seine Eindrücke. Danach waren die damals
genannten Bedingungen von einer solchen Härte gewesen, daß nur
ein geschlagenes Deutschland sie hätte annehmen können.
Wenige Tage nach dem Abbruch der Kemmel-Offensive sprach
Haeften sich anfangs Mai mit einer dem Staatssekretär v. Kühl¬
mann nahestehenden Persönlichkeit des Auswärtigen Amtes über
die Notwendigkeit aus, den Krieg bald zu beenden. Er bat ihn,
Kühlmann auf den Ernst der Lage hinzuweisen und ihn zu ersuchen,
sich bald mit dem General Ludendorff in Verbindung zu setzen. Herr