Volltext: Das Weltkriegsende

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Die rein politische Kriegsleitung 
31. Oktober die ihr angebotenen Waffenstillstandsbedingungen an¬ 
nehmen müssen, tags darauf Österreich gleichfalls. Es bestand die 
Gefahr, daß Österreich Aufmarschgebiet unserer Feinde wurde. Außer¬ 
dem lagen tief beunruhigende Meldungen von der Marine vor. Der 
Kaiser war von Spa noch nicht zurückgekehrt. Einen Versuch des zu 
ihm entsandten Ministers Drews, ihn zur Thronentsagung zu bewe¬ 
gen, hatte er am 1. November mit Schärfe abgewiesen. 
Noch immer war die Antwort auf die deutsche vierte Note vom 
27. Oktober in Berlin nicht eingelangt. Hatten sich bei der Gegenseite 
Schwierigkeiten ergeben? War vielleicht, wie der Gesandte in Bern, 
v. Romberg, am 3. November telegraphisch andeutete, der ausschlag¬ 
gebende Einfluß Wilsons dadurch gefährdet, daß er den Kaiser nicht 
zur Abdankung hatte bewegen können? Dann erschien ein etwaiger 
Rücktritt des Kaisers wieder in anderem Licht. Alle Sorgen der Ber¬ 
liner Regierung aber verblaßten vor der kommenden Revolution. 
Die von der Marine ausgehende Meuterei, auf die in diesem 
Zusammenhange nicht näher eingegangen zu werden braucht, erwuchs 
daraus, daß die Flotte am 29. Oktober zu einer Entscheidungsschlacht 
hatte ausführen sollen, die vielleicht die Lage Deutschlands gegen¬ 
über der Entente noch hätte verbessern können. Jetzt breitete sich die 
revolutionäre Bewegung von den Küstenorten immer weiter nach 
Norddeutschland aus. Zugleich wurde es deutlich, daß in der russischen 
Botschaft in Berlin eine ganz auffallende Tätigkeit entwickelt wurde. 
Russische Agitatoren traten als Sprecher in den Versammlungen der 
unabhängigen Sozialdemokratie auf, und russische Gelder wurden zur 
Förderung der als nahe bevorstehend bezeichneten Revolution in 
Deutschland verwendet. Man entschloß sich in Berlin, nachdem am 
4. November abends eine Kurierkiste der russischen Botschaft auf dem 
Schlesischen Bahnhof planmäßig entzwei gegangen war und aufrüh¬ 
rerische Schriften schlimmsten Inhaltes zutage gefördert hatte, die 
russische Botschaft unter polizeiliche Bewachung zu stellen und den 
diplomatischen Vertreter Rußlands in Deutschland, Joffe, mit seinem 
gesamten Personal aus Berlin auszuweisen. 
Einer dringenden Aufforderung des Reichskanzlers entsprechend 
traf der Nachfolger des Generals Ludendorff, General Groener, am 
5. November morgens in Berlin ein. Mit größter Schärfe sprach er 
sich in einer Sitzung der Staatssekretäre gegen einen Thronverzicht 
des Kaisers aus und gab ausführlich Aufschluß über die militärische 
Lage an allen Fronten. Wenn das Westheer noch ungeschlagen sei, 
so sei dies dem in der Masse des Heeres noch vorherrschenden pflicht¬ 
treuen und tapferen Geiste zuzuschreiben. Was das Heer von der 
Heimat fordere, sei nicht Kritik und Polemik, sondern Stärkung und 
Stählung von Herz und Seele. Wenn hier nicht schleuniger Wandel 
geschaffen würde, richte die Heimat das Heer zugrunde. Zur Kaiser¬
	        
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