Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Neuem. 
Bearbeitet von 
Oberlehrer Josef Blau, Neuern. 
D as Städtchen Neuern (c. Nyrsko) liegt am Ober¬ 
läufe der Angel, nahe der bayrischen Grenze an einem 
uralten Steige, der schon vor tausend Jahren Böhmen 
mit Bayern verband und hauptsächlich dem Salzhan¬ 
del diente. Im vierzehnten Jht. heißt der Weg in einer 
Urkunde der „deutsche Steig" *), im sechzehnten 
schon ,,Klattau—Vilshofener Straße"2). Zur Befesti¬ 
gung und Sicherheit dieses alten Handelsweges war 
vor dem Eintritt des Steiges in den Grenzwald die 
feste Kirchburg von N. und um 1300 die Burg Bayer¬ 
eck erbaut worden. Um dieselbe Zeit wie Bayereck 
gründeten die Herren der Burg Bistritz im Tale unter 
der Kirchburg auf einer Angelinsel eine befestigte 
Stadt, die nur aus einem großen Marktplatze bestand 
und für Gassen keinen Raum mehr fand, das heutige 
Unterneuern. Der Ort war auch Zollstätte und der 
„deutsche Steig44 war durch diese neue Gründung ge¬ 
rade an dem Punkte abgeriegelt, wo er den wildreißen¬ 
den Angelfluß überschritt. 
Yon der neuen Stadt erhalten wir die erste Nach¬ 
richt aus einer lateinischen Urkunde vom J. 1327, mit¬ 
tels welcher König Johann von Böhmen, der Vater 
Karls IV., seinem Gläubiger Peter von Rosenberg, der 
schon die Burg Taus von ihm zum Pfände hatte, auch 
noch die Burg Janowitz mit allem Zugehör und außer¬ 
dem noch den königl. Zoll im Städtchen N. verpfän¬ 
dete. In der lateinisch geschriebenen Urkunde lautet 
die auf N. bezügliche Stelle: „ . . . superaddentes eis 
insuper de speciali gratia thelonium in oppido dicto 
Nyrzko et ad ipsum regnum Boeniiae pertinebat seu 
pertinere poterat modo qualicumque", zu deutsch: 
(„. . . und über dies alles noch obendrauf aus beson¬ 
derer Gnade den Zoll im Städtlein Neuern genannt; 
der ebenfalls zum Königreich Böhmen gehört hat, 
oder auf irgend eine Weise dazu gehört44 3). 
Schon im 14. Jht. gab es in der von N. vier Gehstun¬ 
den entfernten Stadt Klattau einige Judenfamilien. 
In einem Formular aus der Zeit um das J. 1385 hat 
sich eine Urkunde König Wenzels IV. erhalten, die 
den Rechtsstreit zweier Klattauer Juden betrifft; diese 
„Knechte unserer königl. Kammer44 werden dort nur 
mit den Anfangsbuchstaben P. und A. benannt4). 
Von der Ansiedlung eines Juden in dem nahe bei N. 
gelegenen Städtchen Janowitz erfahren wir um 80 
Jahre später aus einer Urkunde, in der der Ritter Ul¬ 
rich von J ano witz die Bedingungen festsetzt, unter 
denen sich der Jude B a r o c h mit seinem Hausge¬ 
sinde in J. ansässig machen kann. Die Schrift ist am 
25. April 1466 in tschech. Sprache ausgestellt worden 
und besagt folgendes: 
„Ich . . . gebe bekannt, daß sich der Jude Ba- 
roch bei mir mit seinem Gesinde und seiner Habe 
ansiedeln und bleiben kann5 so lange es ihm oder 
mir beliebt. Er soll mir jährlich 2 Schock Groschen 
an Zins geben, und zwar die Hälfte zu St. Georgi, 
die andere zu Galli. Wenn er nicht mehr hier blei¬ 
ben und sich bei einem andern Herrn ernähren 
wollte? es sei dies mit meinem oder ohne mein Wis¬ 
sen, so verspreche ich ihm und seinem Gesinde und 
seinem Eigentum drei Meilen weit sicheres Geleit. 
Auch verspreche ich ihm, daß weder ich, noch mein 
Burggraf, noch einer meiner Diener ihn zum Geben 
oder Darleihen von Geld zwingen werden. 
Wenn diesem Juden jemand Geld schuldet und 
nicht zahlen will, so werde ich oder mein Burggraf 
oder jemand von den Ältesten diesen Menschen 
zwingen, das Geld in Kapital und Zinsen zurückzu¬ 
zahlen. Auch wenn einer von meinen Leuten dem 
Juden eine Sache als Pfand übergibt, sei es nun ein 
Panzer oder ein Pferd oder eine Armbrust, so soll 
ihn weder ich noch mein Burggraf weder zu meinem 
noch zu des Schuldners Gebrauch zwingen, das 
Pfand herauszugeben, so lange ihm nicht das Haupt¬ 
geld samt den Zinsen oder ein anderes Pfandgut 
ausgefolgt oder die Schuld mit ihm verglichen wor¬ 
den ist. Und über dies alles gebe ich dem Juden samt 
seinem Gesinde und seinem Gut das gleiche Recht, 
wie es andere Juden in Böhmen und in den Städten 
des Kaisers und Königs und der Herren haben. Dies 
will ich in Ehren und Treuen halten wie ein guter 
Christ44 5). 
Diese Schrift aus dem J. 1466 zeigt uns, unter wel¬ 
chen Bedingungen die Ansiedlung von Juden zu jener 
Zeit auf adeligen Gütern erfolgte, und ist darum ein 
Beispiel für die Verhältnisse auf dem Janowitz unmit¬ 
telbar benachbarten Gute Bistritz. unter dessen 
Schutzobrigkeit das Städtchen N. stand, das wie J. eine 
alte, aber doppelt so starke J. G. besitzt, die in älterer 
wie neuerer Zeit nach mehreren Richtungen hin große 
Bedeutung erlangt hat. 
Das genaue Jahr, in dem sich die ersten jüdi¬ 
schen Familien in N. ansiedelten, ist nicht bekannt, 
ja nicht einmal die ungefähre Zeit. Wie in anderen 
westböhmischen Städten und wie im benachbarlen, 
heute der K. G. Neuern angeschlossenen Janowitz. 
dürfte die Ansiedlung der Juden schon im 15. Jht. ge¬ 
schehen sein. 
In Tachau soll es sogar schon im 13. Jht. Juden gege¬ 
ben haben0). Nach 1500 gab es schon Juden in Lub 
und Kydlin bei Klattau 7), dann in Plan und Haid und 
schon 1530 erhielt die Stadt W o d n i a n von Kaiser 
Ferdinand das Recht, keine Juden mehr in ihren 
Mauern dulden zu müssen. Die Städte Klattau und 
Taus hatten keine Juden, ebenso Pilsen nicht8). 
In N. bewohnten die Juden einen ihnen eigens zu¬ 
gewiesenen Ortsteil, den sogenannten „Jude n - 
winkel44 (im Volksmunde „Guunwingal''' genannt), 
der am südwestlichen Ende der Stadt in Dreiecksform 
angelegt war. 
Die Häuser waren fast alle ursprünglich von der 
Obrigkeit erbaut worden und deren Eigentum; bald 
aber erkaufte sich ein Jude nach dem andern sein 
Wohnhaus zum erblichen Eigentum und im Kataster 
von 1713 heißt es bereits bei 13 Häusern, daß sie 
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