Volltext: Belgier und Balten [59]

Arras und Valenciennes berauben, die durch alte flämische Ge¬ 
werbe berühmt waren; ließ seine berühmteste Kunst, die Malerei, 
in die französische übergehen und gab schon ein paar Jahrzehnte 
nach van Dyck, der bereits im weltmännischen Auslande gestorben 
war, nachdem ihm das bürgerliche Flandern nicht mehr genügt 
hatte, seinen nächsten großen Sohn und Künstler, Watteau, an 
Frankreich ab, zur Verherrlichung des Rokoko. 
Dieser französischen Werbekrast, die im 17. und 18. Jahr¬ 
hundert wirklich auf Kultur beruhte, stehen wir in Belgien heute 
wieder gegenüber, obwohl die französische Kultur auch hier längst 
zu einem Vorwände für französische Politik geworden ist. 
Die Franzosen haben während der großen Revolution 
Belgien erobert und hernach unter dem dritten Napoleon nochmals 
erobern wollen: sie haben, als sie damals in das Land kamen, 
die Kirchen des frommen Volkes ausgeraubt und geschändet, haben 
Tempelställe der Vernunft aus ihnen gemacht, die Brügger 
Kathedrale niedergerissen, die fürstlichen Standbilder vom Brügger 
Rathaus gestürzt und mit den Kunstwerken, die sich wegschleppen 
ließen, ihre neuen leeren Museen gefüllt: aber die französische 
Werbekraft ist bis heute geblieben. 
Sie ist nicht deshalb geblieben, weil es nun gerade die 
wallonische Bevölkerung gewesen wäre, die sich ihrer in besonderem 
Eifer bemächtigt und mit besonderem Nachdruck selbst bedient 
hätte; im Gegenteil, die wallonische Bevölkerung, als Unterschicht, 
als soziale Nassenschicht, ist viel zu proletisch-minderwertig und 
helotisch - unselbständig, viel zu ungebildet und auch bildungs¬ 
unbedürftig, um Politik und Kultur unter sich werben zu lassen. 
Aufgenommen und weiterverbreitet wird die französische 
Werbekraft vielmehr ausschließlich von Brüssel, von der belgischen 
Gesellschaft, von der großstädtischen Bevölkerung, von dem katho¬ 
lischen Klerus, von der französischen Presse, von allen jenen Ele¬ 
menten, die entweder alte und fertige Kulturformen gallisch¬ 
lateinischer Prägung für die höchsten halten, oder aber praktisch¬ 
literarisch im Lande und über das Land hinaus einer Weltsprache 
bedürfen, in der sie sich ausdrücken und verständigen können — 
wie denn die französische Werbekraft von niemand mehr bestätigt 
16
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.