Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Von der deutschen Verwaltung in Belgien 175 
22. Oktober 1916. 
Ein Beschluß des belgischen Ministerrates, der in scharfen Worten abgefaßt ist, bestreitet zunächst 
unter Anrufung der Bestimmungen des Völkerrechtes dem deutschen Generalgouverneur Freiherrn 
o. Vissing jede Befugnis, auf dem Hochschulgebiet im besetzten Lande solche radikalen Neuerungen zu 
schaffen, wie fie die Aufhebung der bisher bestehenden französischen Universität in Gent und ihre 
Ersetzung durch eine rein flämische Lehranstalt darstellt. Aus diesem Grunde verweigert die Regie 
rung des Königs Albert der Gründung des Freiherrn v. Bisstng jede Anerkennung und erklärt alle 
von der neuen Lehranstalt ausgestellten Zeugnisse für ungültig. Die Profefforen und Studenten 
werden, insoweit sie belgische Staatsangehörige sind, als Hochverräter gebrandmarkt und mit der 
Stellung vor den Ausnahmegerichtshof bedroht, der später über alle Belgier urteilen soll, die im 
Einverständnis mit dem Feinde und zur Förderung feindlicher Interessen bestimmte Handlungen be 
gangen haben. 
Das amerikanische Hilfswerk in Belgien 
Ueber die Grundlagen des amerikanischen Hilfswerks in Belgien, daS keineswegs ein mit ameri 
kanischen Mitteln betriebenes Wohlfahrtsunternehmen war, bestanden vielfach irrige Auffasiungen. 
Zur Richtigstellung ist von deutscher Seite halbamtlich folgendes bekannt gegeben worden: Im 
November 1914 ist unter dem Protektorat des amerikanischen und des spanischen Gesandten in 
Belgien ein belgisches Comite national zur Unterstützung der notleidenden Bevölkerung gegründet 
worden (vgl. III, S. 229). Zu seiner Belieferung mit Nahrungsmitteln wurde in Amerika die Relief 
Commission gegründet, die die nötigen Waren aufkaufte und nach Rotterdam verschiffte. Das Comite 
national sorgt für die Verteilung usw. unter Mitwirkung einer beim Generalgouvernement ein 
gerichteten Vermittlungsstelle- Diese hat dafür Sorge zu tragen, daß daS Comite national seine 
Zwecke erfüllt und seine rein wirtschaftlichen Kompetenzen nicht überschreitet. Die an die Bevölkerung 
gelieferten Waren werden bezahlt; eS handelt sich also um ein kaufmännisches Unternehmen. Jn- 
deffen darf das Comite keine Profite machen, vielmehr müffen die Ueberschüffe zu Hilfszwecken ver 
wendet werden. Da die von dem Comite national bezogenen Waren nicht irgendwelchen HeereS- 
zwecken zugute kommen, sondern allein für die Versorgung der belgischen Bevölkerung dienen dürfen, 
ist die Tätigkeit der Hilfskommission vor allem natürlich im belgischen Interesse durchaus erwünscht, 
aber zu einem amerikanischen Wohltätigkeitsunternehmen wird die Kommission dadurch nicht. 
Die Verbringung belgischer Arbeitsloser nach Deutschland 
Da in Belgien trotz aller Bemühungen, nach Möglichkeit Fabriken und Betriebe aufrecht 
zuerhalten, die Zahl der Arbeitslosen in die Hunderttausende wuchs, sah sich die deutsche 
Regierung zu energischen Gegenmaßregeln gezwungen. Zuerst versuchte man es mit Not 
standsarbeiten. Aber Notstandsarbeiten lassen sich, zumal in einem so stark bevölkerten 
Lande wie Belgien, nicht ins Uferlose ausdehnen; sie belasten schließlich nur die Ge 
meinden. Inzwischen wuchs im Lande die Zahl der Arbeitslosen immer mehr, worauf sich 
die deutsche Regierung entschloß, die Beschäftigungslosen, aber Arbeitssreudigen unter 
den belgischen Arbeitern, in deutschen Betrieben unterzubringen. Als auch das nicht 
genügte, und die Hunderttausende von Arbeitsscheuen eine große sittliche Gefahr wurden, 
die Belgiens Zukunst bedrohte, sah sich die deutsche Regierung genötigt, diese arbeits 
scheuen Elemente zwangsweise nach Deutschland zu schaffen, um ihnen Erwerbsmöglich, 
keit zu sichern. Diese Maßnahme ist der deutschen Regierung von gegnerischer Seite 
nicht gedankt, sondern verdacht worden. Es erhob sich ein Sturm der Entrüstung im 
feindlichen, aber auch im neutralen Auslande, der zu den verschiedensten Protesten führte. 
Vor allem richtete die belgische Regierung am 15. November 1916 an die verbündeten 
und neutralen Regierungen ein Protestschreiben, worauf sich die Ententeregierungen, wie 
eine Note des französischen Ministeriums des Aeußeren vom 6. XII. 16 erklärte, dem 
Proteste der belgischen Regierung gegen die deutschen Maßnahmen anschlössen. Auch 
Kardinal Mercier hat in einem Schreiben an alle verbündeten, neutralen und auch feind 
lichen Länder feierlichst gegen die Deportation der Belgier protestiert.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.