Volltext: Der Kampf um die Dardanellen [39]

Konstantinopel steht zu Belgrad in enger geographi¬ 
scher Beziehung. Noch jede Macht, die dort wirklich und 
kraftvoll geherrscht hat, ist auch hier Lerr geworden. Das ist 
durch die geographischen Verhältnisse bedingt. Diejenige und 
die einzige Weltstraße, die auf geradem Wege die Balkan¬ 
halbinsel mit Mitteleuropa verbindet, ist die durch Morawatal, 
Sofiasenke und Maritzatal laufende. Sie ist außerdem der¬ 
jenige Verkehrsweg dort, den kein Geländeriegel hindert, der 
vielmehr in glattem Zuge von eineür Ende zum anderen führt, 
was bei keiner anderen Straße der von Gebirgszügen kreuz 
und quer durchsetzten Balkanhalbinsel der Fall ist. Sie ist 
also die wichtigste und bequemste Verkehrsader des ganzen 
Erdteils, und sie seht vor allen anderen balkanischen Städten 
Konstantinopel und Belgrad in so natürliche wie zwingende 
Verbindung. Rußland nun, das sich als Erben und baldigen 
Lerrn in Konstantinopel betrachtet, ist sich entweder seit langem 
über diese historisch-geographischen Verhältnisse und Ver¬ 
bindungen klar, oder es hat zu seinen Gunsten eine seltsame 
Verkettung von Geschehnissen gewaltet; jedenfalls steht dem 
Zaren, eben dem Anwärter des Paläologenthrons, Serbien 
schon seit einem Jahrhundert und besonders heute aufs Wort 
zu Gebot. Sobald Rußland jetzt wirklich Konstanti¬ 
nopel erränge, wäre es Äerr dort und in Belgrad 
zugleich. Belgrad aber unter dieser Wendung hieße gemäß 
der dann waltenden politischen Lage: ein Großserbien, das 
Serbien mit Neuserbien bis dicht vor Saloniki, Bosnien und 
die Herzegowina mit Montenegro, Dalmatien, Kroatien und 
Slavonien umfaßte. Ganz abgesehen selbst von der geschicht¬ 
lich erhärteten Tatsache, daß immer eine in Konstantinopel und 
Belgrad zur Herrschaft gelangte Macht bedingungslos ganz 
Balkanien gemeistert hat: Rußland würde, wenn es die Zentral- 
stellung am Bosporus und damit zugleich gemäß geographisch¬ 
geschichtlichen Zwangsläufigkeiten die Vormacht im Donau-Save- 
Winkel gewönne, eine derart umfassende und erdrückende Äber- 
gewalt allen drei Staaten gegenüber haben, daß ihre oben 
geschilderte gefährdete Lage danach geradezu hoffnungslos ver- 
22
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.