Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
geht tief in die Erde, seine Anlagen 
sind sehenswürdig: breite Schächte und 
Stollen führen zu gewaltigen Kam 
mern, in denen alles von Kristallen er 
glänzt. In dem großen Raum, der 
„Dom" genannt, finden zu Pfingsten 
gewöhnlich Volksfeste statt, Ein eigen 
artiges Leben herrscht sonst hier unter 
der Erde, viele Pferde gibt es in der 
Grube, die jahrelang nicht das Licht 
der Sonne gesehen haben. Seitdem 
die Gegend aber von den Russen ge 
fährdet ist, hat sich das alles geändert. 
Infolge des Krieges ist der Betrieb 
des Bergwerks fast ganz eingestellt, 
und rings um die Schachthäuser, wo 
sonst fleißig gearbeitet wird, tobte Mitte 
Dezember ein schrecklicher Kampf. 
Eines Abends — schon war es 
dunkel und schwere Schnee-und Regen 
wolken standen am Himmel — er 
schienen die ersten russischen Patrouillen 
im Orte; bald folgten wilde Scharen 
von Kosaken und sonstiger russischer 
Kavallerie. Der Besatzung gelang es, 
sich zu halten, und als aus dem Süden 
Verstärkung kam, gingen die k. u. k. 
Truppen zum Angriff über und bereite 
ten den Russen ein förmliches Blutbad. 
Ein österreichisch-ungarisches Infante 
rieregiment aus Lemberg hat hier Pro- 
benunglaublichenTodesmutes gegeben. 
Obwohl seine Reihen sich immer mehr 
lichteten, wich es nicht vom Platz, bis 
die Maschinengewehre in der Lage 
waren, den eingedrungenen Russen 
buchstäblich den Garaus zu machen, 
Kein einziger ihrer Reiter entkam, 
manche wurden verwundet, einige 
wenige ergaben sich, alle anderen 
wurden niedergemacht. — Einige rus 
sische Abteilungen, die ihren Brüdern 
zu Hilfe kommen wollten, zogen sick) 
eiligst zurück und meldeten, was sie 
gesehen hatten: die völlige Vernich 
tung ihrer vorgeschobenen Kavallerie. 
Der Kampf bei Wieliczka, der an 
sich in dem großen Weltkrieg nur ein 
einzelnes kleines Ereignis ist, hat da 
zu beigetragen, daß die Russen ihren 
Marsch gegen Krakau aufgaben. Sie 
erkannten, daß sie an eine Belagerung 
oder Umkreisung der Stadt nicht den 
ken können. 
In Krakau atmete man auf, als 
der Kanonendonner, der lange Angst 
und Schrecken verursacht hatte, immer 
schwächer wurde und endlich ganz 
aufhörte. Dafür kamen Scharen von 
Verwundeten und Gefangenen in die 
Stadt, und viele Tage sprach man 
von nichts anderem als von den „Hel 
den, von Wieliczka", dem helden 
mütigen Kampf der österreichisch 
ungarischen Infanterie gegen die wil 
den Kosaken, den unser Bild zeigt. 
Der Tanz der Milliarden. 
Von Dr. Hermann Friedemann. 
Wer in diesen Monaten einiges über Kriegskosten er 
fährt, wird von Riesenzahlen betäubt. So ungeheuerlich 
sind die Summen, die er nennen hört, das; sie ihn fast schon 
wieder gleichgültig lassen. Sie haben die Anschaulichkeit 
verloren, und vor dem Geflirr der Nullen hört für den Un 
kundigen zwischen Milliarden und Millionen der Unterschied 
auf ... Wie können diese Fabelsummen jemals aufgebracht 
werden? Und wiederum: was spüren wir von ihrer über 
großen Last? Denn seltsamerweise scheinen die Kriegskosten 
um so weniger drückend zu werden, je maßloser sie an 
wachsen. Die Kriegsarbeit wird gut bezahlt, die Anleihen 
tragen hohe Zinsen, das Geld bleibt „im Lande". Wer 
verliert eigentlich die vielen Milliarden, die rechnungsmäßig 
für Kriegszwecke ausgegeben werden? Machen etwa die 
vielstelligen Summen, die für Kanonen, Gewehre, Mu 
nition und Heeresbedarf umgesetzt werden, die Nation nur 
reicher statt ärmer? Der Widerspruch zeigt, daß es nicht 
überflüssig ist, vorerst die Frage zu beantworten: was sind 
Kriegskosten? 
Kriegskosten sind Schulden des Volkes bei sich selbst. 
Nicht die Herstellung all der Dinge, die zum Kriegführen 
nötig sind, ist das Kostspielige; denn an Arbeitskräften, die 
ohnehin sonst unbeschäftigt wären, fehlt es nicht. Die 
Vernichtung ruischer Kavallerie 
durch österreiisch-ungarische 
Maschinengewe^ in Wieliczka. 
Nach einer Ortzalzeichnung von 
M. Bascudts. 
eigentliche Kriegsausgabe ist vielmehr die während des 
Feldzugs nicht geleistete Arbeit. Einige Millionen ar 
beitstüchtiger Männer stehen im Felde, und auch bei den 
übrigen stockt die Erzeugung der Güter, die in Friedens 
zeiten den Reichtum eines Volkes ausmachen. Damit aber 
die Lasten solcher zeitweiligen wirtschaftlichen Unfruchtbar 
keit nicht von der Masse der Besitzlosen getragen werden, be 
rechnet sich die Nation den Ausfall, kapitalisiert ihn und 
trägt ihn allmählich in Form von Steuern ab. Zahlungstelle 
bei diesem Vorgang ist der Staat: er bezahlt die Kriegs 
lieferungen aus Anleihen, um deren Zinsbetrag er später 
die Steuern erhöht. Das Geld, das der Staat den Ar 
beitern gibt, vergütet also, im Grunde genommen, nicht die 
geleistete, sondern die infolge des 
Krieges unterbliebene Arbeit. 
Es sind demnach die Kriegskosten 
keineswegs nur rechnerisch gültig; sie 
wachsen tatsächlich und in ihrem vollen 
Betrage der Schuldsumme des Staates 
zu. Im wesentlichen hat diese Schul 
denvermehrung drei Formen: Zah 
lungen ans Ausland; innere Anleihen; 
Neuausgabe von Geldscheinen. Um 
die ausländischen Gläubiger zu be 
friedigen, muß der Staat seine Gold 
bestände vermindern oder sich die 
Zahlungen stunden lassen, das heißt 
neue Schulden aufnehmen. Das be 
quemste, aber auch gefährlichste Werk 
zeug der Schuldverschreibung ist die 
Notenpresse. Solange der Staat keine 
erheblichen Verpflichtungen ans Aus 
land hat, kann er Papierscheine in 
unbegrenzter Menge drucken lassen, 
den Krieg also bargeldlos führen. Die 
verderblichen Folgen zeigen sich ge 
wöhnlich erst nach dem Friedenschluß. 
Da die Milliarden ungedeckter Noten 
im Ausland entwertet sind und selbst 
im Inland, trotz des Zwangskurses, 
einen Teil ihrer Kaufkraft verlieren, be 
deuten sie nichts anderes als eine 
erdrückende und ungerechte Steuer 
für jeden, der genötigt ist, Zahlungen 
in Papiergeld anzunehmen. Als ein 
wandfreiestes Mittel der Geldbeschaf 
fung in Kriegszeiten bleibt demnach 
die innere Anleihe. Von diesem Mittel 
haben unter allen am Kriege Betei 
ligten nur Deutschland und Österreich- 
Ungarn mit vollem Erfolge Gebrauch 
gemacht. Wie man weiß, brachte die 
erste deutsche Kriegsanleihe 4VsMilliar 
den; eine Summe, die von dem Er 
trage der zweiten (9 Milliarden) noch 
bei weitem übertroffen worden ist. 
Nur 700 von jenen 4800 Millionen 
stammten aus den Darlehenskassen, 
bedeuten also eine Anleihe des Reiches 
bei sich selbst; die übrigen sind aus 
dem tatsächlichen Volksvermögen dem 
Staat zur Verfügung gestellt worden. 
In ähnlicher Weise brachte Österreich- 
Ungarn 3300 Millionen Kronen (2800 
Millionen Mark) aus dem Wege der 
inneren Anleihe auf. Ein solches Maß 
finanzpolitischer Gediegenheit wurde 
bei keinem unserer Gegner erreicht. 
Selbst die englische Riesenanleihe von 
350 Millionen Pfund (7 Milliarden 
Mark) war ein Scheingeschäst: die 
Bank von England beleiht jede ge 
zeichnete Summe bis zu ihrer vollen 
Höhe. Die Anleihe ist also kaum etwas 
anderes, als die Erlaubnis zur Aus 
gabe ungedeckter Noten bis zum Be 
trage von 7 Milliarden Mark. Dennoch 
scheinen die Zeichnungen die erwartete 
Endsumme nicht erreicht zu haben. 
Immerhin ist die englische Geldbeschaf 
fung noch glänzend im Vergleich zum Mißerfolg in Frankreich. 
Da eine innere Anleihe in irgendwie nennenswertem 
Betrage dort nicht zu haben war, half man sich mit der 
Ausgabe kurzfristiger Schatzscheine, der sogenannten Ribotins 
(nach dem Namen des Finanzmiuisters Ribot), von denen 
man etwa 2 Milliarden nach und nach in Verkehr brachte. 
Aus diesen Schuldscheinen macht die französische Regierung, 
wie Staatssekretär Helfferich sagte, „neues Papier", indem 
sie sie für die nächste Anleihe in Zahlung nimmt. Die übrigen, 
mindestens 6 Milliarden des bisherigen Geldbedarfs, sind 
Schulden des Staates bei der Bank von Frankreich, also 
durch in? Notenpresse beschafft. 
Fast gänzlich auf diesen Ausweg finanzieller Hilflosigkeit
	        
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