Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/19. 
armee sollte in einer Breite von 230 und einer Tiefe von 
00 Kilometern nach Westen vorgeschoben werden. Un 
garn ging dadurch bedeutender Orte, wie Arad, Szege 
din, Eroßwardein und Debreczin, verlustig, büßte 2 1 /t Mil 
lionen seiner Bewohner ein und wurde fast ganz auf 
das Land zwischen Donau und mittlerem Theißtal be 
schränkt. Das Eisenbahn- und Wirtschaftsgerät sollte oben 
drein noch „bis zu weiterer Entscheidung" an Ort und 
Stelle bleiben. Diese Forderungen gingen den Ungarn 
denn doch zu weit. Graf Michael Karylyi dankte ab, und 
zwar ausdrücklich zuguusten des Proletariats. Die Lei 
tungen der sozialistischen Gruppen und der kommunisti 
schen Partei schlossen sich sofort zu gemeinsamem Vorgehen 
zusammen. Sie riefen die Räterepublik aus und machten 
den Schriftsteller Bela Lun zum Präsidenten. Nach russi 
schem Muster gründete die neue Regierung eine Rote Armee, 
in die nur organisierte Arbeiter aufgenommen wurden, die 
monatlich 460 Kronen Gehalt und 50 Kronen Unterstützung 
für jeden Familienangehörigen zugesagt erhielten. Die 
ungarische Räterepublik unterschied sich aber wesentlich von 
der russischen schon dadurch, daß in Ungarn, im Gegensatz 
zu Rußland, außer Kommunisten auch Sozialisten an der 
Negierung beteiligt waren; ferner war die ungarische Be 
wegung in erster Linie eine vaterländische Erscheinung und 
dann erst ein kommunistisches Unternehmen. Sie war der 
Ausdruck der vaterländischen Verzweiflung der von den 
Westmächten mißhandelten Ungarn. —- 
Außer Rumänien, Serbien und der Tschechoslowakei 
drohte auch Deutsch-Österreich, das eben erst an die 
Schaffung der Grundlagen für fein Fortbestehen gegangen 
war, die Gefahr, in den Strudel des Bolschewismus zu 
geraten. Die deutschösterreichische Sozialdemokratie war 
der Räteregierung zum größten Teile durchaus wohlgesinnt 
und hatte um so mehr Aussicht auf einen Erfolg in dieser 
Richtung, als die Westmächte, besonders Frankreich, gegen 
den Anschluß an Deutschland wirkten. Eine Milderung er 
fuhr die Lage Deutsch-Österreichs nur durch das Auftreten 
Italiens, das beharrlich den französischen Plänen Widerstand 
leistete und den Anschluß Deutsch-Österreichs an Deutschland 
befürwortete. Der neue Staatskanzler Deutsch-Österreichs 
Dr. Nenner (siehe Bild Seite 346) beanspruchte in seiner 
Programmrede nach wie vor das Selbstbestimmungsrecht 
für Deutsch-Österreich und Deutsch-Böhmen und erklärte den 
Willen des Volkes hinsichtlich der Staatsform als völlig 
geklärt. Deutsch-Österreich wollte Republik bleiben. Da 
durch wurde auch der Kaiser Karl, der bisher noch keine 
Abdankungsurkunde unterzeichnet hatte, zur Aufgabe seiner 
Absichten auf eine nochmalige Besteigung des Thrones ge 
zwungen. Er verließ seinen Aufenthaltsort Eckartsau und 
ließ sich in der Schweiz nieder. — «Fortsetzung folgt., 
Der bolschewistische Kriegskvmmissar und Schöpfer der »Roten Armee" in Russland. Troßki. schreitet mit seinem Generalstab in Moskau die ijrvnt 
eines lettischen Regiments, der Kerntruppe der Roten Garde, ab. 
Nach einer Abbildung in der französischen Zeitschrift „L'Illnstration". 
Illustrierte Kriegsberichte 
Die Menschenverluste im Weltkrieg. 
Der Gesanitverlust des deutschenHeeres betrug 
nach Zusammenstellungen auf Grund der aintlichen Verlust 
listen bis Ende Oktober 1918 rund 6 Millionen, und zwar 
an Toten 1 611104, an Verwundeten 3 683 143 lind an 
Vermißten 772 622, insgesamt 6 066 769. Auf die einzelnen 
Kontingente verteilt sich dieser Verlust wie folgt: Preußen: 
1262 060 Tote, 2 882 671 Verwundete, 616 139 Vermißte, 
insgesamt 4 760 870; Bayern: 150 658 Tote, 363 823 Ver 
wundete, 72115 Vermißte, insgesamt 686 596; Sachsen: 
108 017 Tote, 252 027 Verwundete, 51 787 Vermißte, ins 
gesamt 411831; Württemberg: 64 507 Tote, 155 654 Ver 
wundete, 16 802 Vermißte, insgesamt 236 963; Marine: 
25 862 Tote, 28 968 Verwundete, 15 679 Vermißte, ins 
gesamt 70 509. 
Die Vermißten sehen sich aus den in Gefangenschaft 
geratenen Heeresangehörigen und denjenigen Leuten zu 
sammen, über die keine Nachrichten zu erhalten waren. 
Letztere müssen zum größten Teil zu den Toten gerechnet 
werden. Auf Grund früherer aintlicher Angaben kann 
man annehmen, daß sich ihre Zahl auf etwa 180 000 be 
laufen wird. Rechnet man diese Zahl zu den 1,6 Millionen 
Toten und berücksichtigt man ferner noch die Verluste, die 
bis zum 11. November 1918 entstanden sind, und die Ab 
gänge während des Rückmarsches sowie die Leute, die infolge 
ihrer Verwundung später noch gestorben sind, so kommt man 
auf eine Gesamtzahl von rund 2 Millionen Toten. Die 
Zahl der Gefangenen betrug nach einer Angabe des preu- 
ßiscken Kriegsministeriums im Reichstag bis zum 31. März 
1918 im ganzen 512 676, davon befanden sich 236 676 in 
Frankreich, 119 000 in England, 157 000 in Rußland und
	        
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