Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
die „Gruppe" wie ein gut geregeltes Uhrwerk arbeitet. 
Und lautlos eilen die „Helferinnen" herzu, aus deren 
milder Hand der Verwundete die auf den Bahnhöfen bereit 
gestellte Labung erhält. 
Mustergültig wie bei unserem Heer ist auch bei den 
Sanitätskolonnen die Ausrüstung. Sie sind in völlig 
neue, ebenso schmucke wie zweckmäßige Uniformen gekleidet. 
Die norddeutschen Mannschaften sind mit Rucksäcken aus 
gerüstet, während die württembergischen Sanitätskolonnen 
Tornister tragen. Zur Ausrüstung gehören ferner Verband 
tasche, Brotbeutel, Labeflasche, und je ein Mann der Gruppe 
ist mit Beil oder Säge oder Rettungsseil ausgerüstet. Tor 
nister oder Rucksack enthalten Kochgeschirr. Äußer Litewka, 
Tuchhose und Mantel hat jeder Mann noch einen Drilch- 
anzug, neben der Schirmmütze noch eine Feldmütze. Zur 
Ausrüstung gehört endlich ein „eiserner" Verpflegungs 
bedarf für drei Tage. 
Selbstverständlich kommen die Sanitätskolonnen nicht 
nur für den Dienst in der Heimat, sondern auch für den 
Außendienst in Betracht. Es war ein weihevoller Augen 
blick, als am Mittwoch den 19. August die erste Lazarett- 
truppe des Württembergischen Landesvereins vom Roten 
Kreuz durch die Königin von Württemberg in Gegenwart 
von Direktor vr. v. Geyer und Geheimem Hofrat Herr 
mann, den beiden obersten Leitern des württembergischen 
freiwilligen Sanitätsdienstes, im Hof der Schwabschule 
verabschiedet wurde. Es waren 41 Mann und 41 Pflege- 
schwestern, die für das Etappengebiet bestimmt sind. Leb 
haftes Interesse widmete unser Königspaar auch dem vom 
Württembergischen Landesverein vom Roten Kreuz aus 
gerüsteten Lazarettzug, der nun wohl auch schon seit mehreren 
Tagen seinen Dienst versieht. Er ist dazu bestimmt, ständig 
dem Verwundetentransport zwischen der Grenze und den 
heimischen Lazaretten zu dienen. Er besteht aus 30 Eisen 
bahnwagen. Die große Mehrzahl von ihnen ist zur Aufnahme 
von Verwundeten eingerichtet, jeder Wagen zu 16 Betten, 
die in zwei Stockwerken übereinander an den Längswänden 
angebracht sind. Genau in der Mitte des Zugs befindet sich 
der Wagen des Chefarztes mit Operationsraum, links und 
rechts davon die Wagen der Verwaltung, der assistierenden 
Arzte und des Pflegepersonals. Je am Ende des Zuges be 
finden sich die Küchenwagen. Was an weiser Voraussicht 
aller möglichen Fälle geleistet werden kann, ist geschehen; 
allenthalben herrscht der Grundsatz höchster Zweckmäßig 
keit; und doch liegt über dem Ganzen ein Hauch von Be 
haglichkeit. Jeder Wagen trägt das Zeichen des Roten 
Kreuzes, nicht nur an den Seitenwänden, sondern auch 
in größtem Format auf dem Dach zur Abwehr von Flieger 
bomben. Die Erfahrungen der letzten Zeit haben allerdings 
dazu geführt, daß die Lazarettzüge und ihre Begleitmann 
schaften auch mit minder friedlichen Abwehrmitteln aus 
gerüstet sind. 
Ein lebendiges Bild von der Arbeit im Feld gibt schließ 
lich noch die Darstellung einer von Helferinnen des Roten 
Kreuzes geleiteten Feldküche. Vor dem Feind geht es frei 
lich vielleicht etwas weniger „geleckt" zu. — 
Seinen in fünfzigjährigem Wirken betätigten Grundsätzen 
getreu wendet das Rote Kreuz seine Hilfe auch diesmal 
Freunden wie Feinden ohne Unterschied zu. Die Gelegen 
heit dazu bot sich sehr bald: es waren erst wenige Tage 
seit Eröffnung der Feindseligkeiten vergangen, als schon 
die ersten deutschen und französischen Verwundeten und 
Gefangenen vom westlichen Kriegschauplatz in Stuttgart 
eintrafen. 
Der Sturm aus Schabatz. 
(Hierzu das Bild Seite 48.) 
Die tapferen österreichisch-ungarischen Truppen haben 
vom 23. bis 25. August auf russischem Gebiete bei Krasmk 
eine dreitägige siegreiche Schlacht geschlagen, die für die 
Entwicklung der Dinge auf den östlichen Kriegschauplätzen 
von größter Bedeutung ist. In Voraussicht der auch in Gali 
zien, nördlich und östlich von Lemberg, folgenden gewaltigen 
Kämpfe hatte die Kriegsleitung kurz zuvor noch erklärt, 
daß sie angesichts der Aufgabe, die ihr gestellt werden wird, 
die Züchtigung der Serben vorläufig nur als eine Neben- 
attion in Rechnung stellen und sich daher eine durch die 
Umstände gebotene Zurückhaltung auferlegen werde. Es ent 
spricht dies, sobald sich die Notwendigkeit ergibt, nach 
zwei Fronten zu kämpfen, dem militärisch als richtig aner 
kannten Satz, zuerst den stärkeren Gegner niederzuringen 
und dann erst dem schwächeren mit voller Kraft auf den 
Leib zu rücken. Nichtsdestoweniger erachtete man einen 
Vorstoß gegen die serbischen Stellungen als geboten und 
hat diesen auch aus Nord und West mit großer Energie 
durchgeführt. Unter den blutigen Zusammenstößen, die 
dadurch herbeigefübrt wurden, spielte der Übergang über 
die Save und der Sturm auf Schabatz eine wichtige Rolle, 
weil letzteres eine strategisch bedeutsame Eingangspforte 
darstellt. Man wußte, daß das serbische Ufergebiet von 
sehr starken feindlichen Streitkrüften besetzt war, die durch 
Infanterie- und Artilleriefeuer den Übergang der Truppen 
verhindern sollten, entschloß sich daher, trotz der Schein 
werfer den Übergang nächtlicherweile durchzuführen, wozu 
zur bestimmten Stunde mehrere große Kähne, Führen 
und eine Anzahl Schiffbrücken bereitlagen. In aller Stille 
wurden die Mannschaften, die übergesetzt werden sollten, 
geweckt. „Wir erkannten sofort," so berichtet ein süd 
ungarischer Infanterist, der wacker mitgekämpft hat, „daß 
es jetzt galt, über den Fluß zu gehen, und eilten flink ans' 
Ufer zu den vertäuten Booten, die bereits mit Pionieren 
bemannt waren. Ich befand mich mit etwa fünfzig Kame 
raden rasch in einem dieser Fahrzeuge. Während der 
Überfahrt wunderten wir uns alle, vom feindlichen Ufer 
keine Schüsse zu bekommen. Kaum wollten wir indessen 
jenseits anlegen, so begann es aus den Schützengräben der 
Serben zu krachen, und gleich bei der ersten Salve brachen 
in unserem Kahn der Zugführer und sieben Soldaten 
zusammen. Wir anderen sprangen ans Ufer und stürzten 
uns auf die serbischen Feldbefestigungen, die durch einen 
Bajonettangriff genommen wurden. Wir sahen reguläres 
Militär und Komitatschis (Freischärler) vor uns her fliehen 
und eilten ihnen durch dick und dünn bis nach Schabatz nach. 
Dort kam es zu einem verzweifelten, blutigen Straßenkampf, 
bei dem auch aus den verrammelten Fenstern und von den 
Kirchtürmen auf uns geschossen wurde. Da kamen von 
rückwärts nach und nach Verstärkungen an, und nach 
einstündigem Kampfe hatten wir den Ort vollends ge 
nommen." 
Nach diesem Siege zeigte sich auch in Schabatz wie in 
Belgien und Frankreich das Franktireurwesen in seiner 
ganzen Scheußlichkeit und Verwerflichkeit. Auch hier 
wurde teils von serbischen Soldaten, die sich in Keller und 
auf Dachböden geflüchtet hatten, teils von der Einwohner 
schaft hinterrücks auf die braven Truppen geschossen. Selbst 
verständlich wurden nicht viele Umstände gemacht und 
alles, was auf der Tat ertappt wurde, auf der Stelle 
niedergemacht. Die serbische Regierung, die ihre Pappen 
heimer eigentlich kennen sollte, hatte die Dreistigkeit, sich 
auf dem Wege über eine neutrale Macht darüber zu be 
schweren. Das österreichisch-ungarische Armeeoberkommando 
ordnete Erhebungen an, und es ergab sich über den nächsten 
Tatbestand hinaus, daß sich die Serben sogar die scheuß 
lichsten Massakrierungen hatten zuschulden kommen lassen. 
Wiederholt wurden Leichen verstümmelter Soldaten ge 
funden, so ein Mann mit ausgestochenen Augen, in deren 
Höhlen Uniformknöpfe eingepreßt waren; an einem Baume 
hängend ein Infanterist, dem Kopf und Arme fehlten. 
Ein Leutnant, dem die Gefangenen vorgeführt wurden, 
verfügte aus Menschlichkeit die Freilassung einer schwangeren 
Frau. Kaum freigegeben, zog das Weib einen Revolver 
und erschoß den Leutnant von hinten. Selbst serbische 
Kinder beteiligten sich an diesen Unmenschlichkeiten. 
Belfort. 
(Hierzu Bild und Plan Seite 44.) 
Die französische Festung Belfort hat uns 1870/71 erfolg 
reich Widerstand geleistet — allerdings weniger ener 
gischen Belagerungsmitteln gegenüber, als wir heute haben 
— und ist seither durch Erweiterung der Stadtumwallung, 
Umbau der alten Forts und Bau von neun vorgeschobenen 
großen Forts mit Anschlußbatterien und fünfzehn selb 
ständigen Batterien ein starker Waffenplatz geworden, 
mit einem Umfang von etwa 40 Kilometern. 
Der Übersichtlichkeit wegen sind weder die Anschsuß- 
batterien noch die Redouten und Jnfanteriewerke, die zum 
Beispiel das Fort Salbert (XV) verstärken, in unsere Skizze 
aufgenommen. Auch die Eeländeunterschiede, die zum
	        
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